Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind
Beweismittel stehen sie automatisch unter Verschluss, Sir.«
Ein Zögern. »Es geht um nichts Weltbewegendes«, sagte Sheridan schließlich, »aber wir machen uns Sorgen wegen Geschäftsgeheimnissen und dergleichen. Sie verstehen schon.«
Nein, tat er nicht. Aber er sagte: »Wir werden dafür sorgen, dass man die Akten sicher verwahrt.«
»Tja, dann haben Sie vielen Dank, Sheriff. Falls ich etwas für Sie tun kann, irgendetwas, lassen Sie es mich bitte wissen.«
Ja, lass mich meine Arbeit machen.
Sie trennten die Verbindung. Dahl war verärgert, aber er konnte dem Mann eigentlich keinen Vorwurf machen. Die praktische Natur seines Anrufs bedeutete nicht, dass er keine Trauer empfand. Genau wie Dahl hatte auch Sheridan eine Aufgabe zu erfüllen.
Das Funkgerät des Sheriffs erwachte wieder zum Leben. »Wir bekommen noch mehr Gesellschaft, Sir.«
»Das Rettungsteam oder der Kranwagen?«
»Nein, ein Privatfahrzeug.«
»Haben Sie das Kennzeichen?«
»Aus Wisconsin. Mehr konnte ich nicht erkennen.«
»Okay.«
Die Limousine wurde langsamer und bog in die Auffahrt von Lake View Drive Nummer 3 ein. Das Haus war inzwischen erleuchtet wie die Titanic in ihren letzten Stunden, dachte Dahl, der sich mit seiner Frau gerade erst den Film angesehen hatte. Er gab dem Wagen mit seiner Taschenlampe das Signal zum Anhalten und bat den Fahrer, er möge aussteigen. Der etwa fünfunddreißigjährige Geschäftsmann starrte die Szenerie mit besorgter Miene an. Dann stieg er aus. »Was ist los? Was ist passiert?«
Tanner ließ Dahl den Vortritt.
»Würden Sie sich bitte ausweisen, Sir?«, bat der Sheriff. »Wie heißen Sie?«
»Ari Paskell.« Er reichte seinen Führerschein dem Commander der Staatspolizei, der ihn zur Überprüfung an einen seiner Trooper weitergab.
»Bitte, was ist passiert?«
»In welcher Angelegenheit sind Sie hier?«
»Angelegenheit? Ich wollte mit Emma und Steve das Wochenende verbringen! Was geht hier vor sich? Ich versuche schon den ganzen Abend vergeblich, sie zu erreichen.«
»Woher kennen Sie sich?«
»Steve ist ein Freund von mir. Wir waren früher mal Kollegen. Er hat mich übers Wochenende eingeladen. Geht es den beiden gut?«
Dahl schaute zu Graham, der in den Wald starrte. Wie ich das hasse, dachte der Sheriff. Dann sah er zu dem Trooper auf dem Vordersitz des Streifenwagens. Der Mann nickte. Paskells
Führerschein und das Kennzeichen seines Wagens waren in Ordnung. Dahl senkte die Stimme. »Es tut mir sehr leid, Ihnen diese Mitteilung machen zu müssen, Sir, aber es wurde ein Verbrechen verübt. Die Feldmans sind, nun ja, sie sind heute Abend ermordet worden.«
»O mein Gott, nein! Nein, Sie müssen sich irren … Ich habe doch erst heute Nachmittag noch mit Steve gesprochen.«
»Ich fürchte, es besteht kein Zweifel.«
»Nein«, keuchte er. »Aber … nein. Das kann nicht sein!« Er wurde noch bleicher, als er ohnehin schon war.
Dahl fragte sich, ob der Mann einen hysterischen Anfall erleiden würde. Das geschah bei solchen Gelegenheiten relativ häufig und traf auch Menschen, die aus deutlich härterem Holz geschnitzt waren als dieser arme Kerl.
»Ich bedauere.«
»Aber das kann nicht stimmen.« Die Augen des Mannes waren weit aufgerissen, seine Hände zitterten. »Ich habe ihnen ihr Lieblingsbier mitgebracht. Und frische Bratwurst, so wie immer.« Seine Stimme überschlug sich. »Ich hab sie erst vor ein paar Stunden gekauft, hab extra angehalten in …« Er senkte den Kopf. »Sind Sie sich wirklich sicher?«, fragte er kleinlaut.
»Es tut mir leid, Sir.«
Paskell lehnte sich an seinen Wagen und sagte nichts mehr, sondern starrte nur das Haus an. Wahrscheinlich erinnerte er sich an viele angenehme Erlebnisse, die sich nun nie mehr wiederholen würden.
Munce kam hinzu.
»Was ist geschehen?«, flüsterte Paskell. »Wer war das?«
»Das wissen wir nicht. Also, Mr. Paskell …«
»Aber die beiden sind nicht reich. Wer würde sie ausrauben?«
»Mr. Paskell, wissen Sie, wer der andere Gast ist? Uns ist lediglich bekannt, dass es sich um eine Frau aus Chicago handelt, die früher mal mit Emma zusammengearbeitet hat.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, sie sagten bloß, dass noch
jemand zu Besuch kommen würde. Den Namen kenne ich nicht.«
»Ich glaube, Sie sollten nun nach Hause zurückkehren, Sir. Oder nehmen Sie sich ein Zimmer, falls Sie zu müde oder aufgewühlt sind, um zu fahren. An der Sechs-Zweiundachtzig hinter Clausen gibt es mehrere Motels. Sie können hier nichts mehr
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