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Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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weiß, dass Sie wissen, wo Michelle steckt«, sagte er belustigt. »Sie haben hier irgendwo einen Treffpunkt verabredet, oder? Da bin ich mir sicher. Denn so hätte ich es gemacht.«
    Es herrschte eine Weile Schweigen. »Das Leben ist schon komisch, nicht wahr?«, sagte er dann. »Alles scheint perfekt zu sein. Der Plan, die Hintergrundinformationen, die Nachforschungen, die Einzelheiten. Man kalkuliert sogar den heiklen menschlichen Faktor ein. Freie Fahrt, problemlose Flucht, jeder, der abgelenkt sein muss, wurde abgelenkt. Und dann passiert irgendeine Kleinigkeit. Zu viele rote Ampeln, eine Reifenpanne, ein Verkehrsstau. Und dieser bescheuerte Wachmann, der sich gerade erst eine neue vierundvierziger Desert Eagle gekauft hat und sie unbedingt mal ausprobieren möchte, kommt zehn Minuten früher zum Dienst, weil er vor dem Wecker aufgewacht ist, nachdem ein Hund zwei Blocks entfernt gebellt hat, weil ein Eichhörnchen …«
    Seine Stimme erstarb. Er legte die Fingerspitzen beider Hände aneinander und zuckte leicht zusammen, als er den linken Arm bewegte. »Und all deine Pläne lösen sich in Wohlgefallen auf. Die Pläne, die unmöglich scheitern konnten, scheitern. Das ist uns beiden heute Abend passiert, Brynn. Sowohl Ihnen als auch mir.«
    »Nehmen Sie mir die Fesseln ab, und geben Sie mir Ihre Waffe.«
    »Glauben Sie wirklich, Sie können mich einfach so verhaften?«
    »Sie haben nicht aufgepasst. Ich habe es bereits getan.«

    Hart streckte sich erneut. »Ich bin auch nicht mehr so jung wie früher.« Er massierte sich den linken Arm. »Wie lange sind Sie verheiratet?«
    Sie antwortete nicht, schaute aber unwillkürlich auf seine behandschuhten Ringfinger.
    »Die Ehe ist nichts für mich. Ist sie etwas für Sie, Brynn? … Na los, was liegt Ihnen denn schon an Michelle?«
    »Sie ist mein Job. Das liegt mir an ihr.«
    »Wie wichtig kann ein Job sein?«
    Brynn legte zynisch - und unter Schmerzen - ihre Stirn in Falten. »Die Antwort darauf kennen Sie.«
    Er wollte etwas sagen, hielt aber inne. Dann nickte er zustimmend.
    »Sie mögen mit meinem Mann gesprochen haben, aber Sie kennen ihn nicht. Er hat inzwischen längst Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt. Er geht nicht einfach nach den Spätnachrichten ins Bett.«
    Er wirkte wieder enttäuscht. »Das ist gelogen, Brynn.«
    Sie atmete langsam ein. »Ja, vielleicht ist es das«, sagte sie. »Also gut. Keine Lügen mehr, Hart. Graham könnte schlafen gegangen sein. Aber gegen vier Uhr morgens wird er aufwachen, weil er aufs Klo muss. Man könnte fast die Uhr danach stellen. Und wenn ich dann nicht da bin, wird er meinen Chef anrufen, und der wiederum wird sofort die Staatspolizei verständigen. Ihnen bleibt also noch etwas Zeit, aber nicht mehr viel. Und nicht mal annähernd genug, dass ich Ihnen verraten würde, wo Michelle ist. Und das ist nicht gelogen.«
    »Okay, wir könnten …« Er verstummte.
    Brynn lachte. »Jetzt wollten Sie mich anlügen, nicht wahr?«
    »Ja, wollte ich.« Er grinste.
    »Um mich wieder hoffen zu lassen, richtig?«
    »Ja. Aber es hat sich falsch angefühlt.« Er griff in die Tasche, zog eine Landkarte hervor, entfaltete sie und legte sie zwischen ihnen hin. Dann suchte er die schmale Straße, auf der sie sich
befanden. Und schaltete die Innenbeleuchtung ein. »Wo ist sie, Brynn?«
    Sie registrierte den winzigen blauen Punkt, der für den See stand, an dem Michelle wartete. »Das sage ich Ihnen nicht.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nun, ich werde Ihnen keine Schmerzen zufügen. Das wäre unwürdig. Und Ihrer Familie wird nichts geschehen.«
    »Ich weiß.«
    Er zog seine Waffe. Warf einen Blick darauf. »Aber … Sie verstehen.«
    Er hat Gewissensbisse, stellte sie überrascht fest. Doch er würde schießen. Dennoch hatte sie in gewisser Weise den Eindruck, diese Runde ginge an sie. Und gleichzeitig wurde ihr schmerzlich bewusst, dass sie verloren hatte. Nicht weil sie sterben würde. Sondern aus einem Dutzend Gründen, die weit jenseits dieses Wagens, dieses Walds, dieses Parks lagen.
    Es herrschte verlegenes Schweigen, so wie bei einem Pärchen, dessen erste Verabredung sich dem Ende zuneigt.
    »Hart, dies ist Ihre letzte Chance.«
    Er lachte.
    »Wählen Sie den Notruf. Ich habe es ernst gemeint. Ich werde den Staatsanwalt um Nachsicht bitten. Keine Lügen mehr, Hart. Ehrlich.«
    Er hatte den Kopf gesenkt und streichelte geistesabwesend die schwarze Pistole.
    »Geben Sie auf?«, hakte Brynn nach.
    »Sie wissen, dass ich das nicht

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