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Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Liter. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie ausgetrocknet sie war.
    Brynn betrachtete die fremdartig wirkende Landschaft, sah noch immer niemanden und winkte Michelle und Amy zu sich. Die beiden tranken ebenfalls.

    Dann schaute Brynn den Hügel hinauf in Richtung der Interstate. Die Straße lag nicht mehr als anderthalb Kilometer entfernt.
    Allerdings anderthalb Kilometer steil bergauf.
    »O Gott«, sagte Michelle, die Brynns Blick folgte. Etwa fünfzehn Meter vor ihnen stieg das Gelände in steilem Winkel an - die Steigung betrug wenigstens dreißig Grad; stellenweise sah sie sogar nach fünfundvierzig Grad aus. Es gab auch senkrechte Felswände. Die konnten sie natürlich nicht erklimmen, aber Brynn wusste von der Such- und Rettungsmission vor ein paar Jahren, dass dies auch nicht notwendig sein würde. Es war möglich, zu Fuß nach oben zu gelangen, sofern man die Strecke sorgfältig wählte. Außerdem gab es einige breite und mehr oder weniger flache und dicht bewachsene Plateaus, die Deckung boten.
    Sie gingen zum Fuß des Hügels. Der aufgewühlte Fluss lag rechts von ihnen, am Eingang der Schlucht.
    Michelle drehte sich um und wies auf die Fußabdrücke. »Halt, wir hinterlassen Spuren.«
    »Die fallen aber kaum auf.«
    »Doch, sobald jemand eine Taschenlampe hat.«
    »Guter Einwand.«
    Michelle lief zurück zu der Stelle, an der sie getrunken hatten, und brach von einem immergrünen Busch einige Zweige ab. Dann kam sie rückwärts wieder auf die anderen beiden zu und verwischte mit dem provisorischen Besen dabei eifrig alle Fußspuren im Schlamm. Brynn konnte sie laut keuchen hören. Michelle ignorierte ihren verletzten Knöchel, obwohl der Schmerz beträchtlich sein musste.
    Die Frau, die Brynn hier vor sich sah, unterschied sich sehr von der reichen Dilettantin, die noch vor wenigen Stunden mit ihrer zukünftigen Berühmtheit geprahlt und wegen anderer Leute Schuhe und ein paar Dornen im Finger gejammert hatte. Brynn hatte erlebt, dass manche Menschen unter der kleinsten Belastung zusammenbrachen, während andere völlig unverhofft
den unmöglichsten Herausforderungen trotzten. Sie war sich sicher gewesen, dass Michelle zur ersten Kategorie gehörte.
    Sie hatte sich geirrt.
    Und sie wusste, dass sie nun eine echte Mitstreiterin hatte.
    Die junge Frau traf bei ihnen ein.
    Amy gähnte. »Ich bin müde.«
    »Ich weiß, Kleines«, sagte Michelle. »Bald kannst du schlafen. Darf ich Chester in meine Tasche stecken?«
    »Machst du sie auch zu, damit er nicht herausfallen kann?«
    »Natürlich.«
    »Aber lass sie ein kleines Stück offen, sonst bekommt er keine Luft.«
    Das Kind benimmt sich, als wäre es viel jünger, dachte Brynn bekümmert.
    Michelle schob sich das Stofftier in die Tasche, und sie fingen an zu klettern. Auf der fernen Interstate ertönte das laute Rattern der Dekompressionsbremse eines Lastwagens und spornte sie zusätzlich an.

60
    Graham und Munce arbeiteten sich von der Interstate aus vorsichtig den Hang hinab.
    Hinter ihnen raste ein Lastwagen vorbei. Der Fahrer schaltete einen Gang herunter, und die Nacht wurde von einem lauten Rattern erfüllt, fast wie von einem Maschinengewehr. Das dichte Laub und der Wind dämpften den Lärm ein wenig.
    Schon bald waren die beiden Männer ganz in ihre Aufgabe vertieft. Sie redeten nicht, sondern ließen nur schweres Atmen hören - die Anstrengung, sich aufrecht zu halten und nicht
nach vorn zu kippen, war ebenso groß, als würden sie diesen Hang erklimmen und nicht hinabsteigen. Sie konnten das Rauschen des Flusses hören, der dreißig Meter unter ihnen durch die finstere Schlucht toste.
    Graham verdiente seinen Lebensunterhalt mit Pflanzen und war sich nur allzu bewusst, wie sehr die hiesige Vegetation sich von der in seiner Firma unterschied, wo alles geordnet in Keramiktöpfen oder auf gebündelten Wurzelballen wuchs. Jahrelang hatte er Privat- und Geschäftsgrundstücke dadurch verändert, dass er ein paar Kamelien oder Rhododendren in Beete aus mit Kalkdünger angereicherter Erde steckte und mit einer Schicht Mulch abdeckte. Hier waren Pflanzen keine Ziergegenstände, sondern Infrastruktur, Bevölkerung und Gesellschaft in einem. Sie kontrollierten alles. Er und Munce waren unbedeutend, waren vollkommen belanglos, genau wie all die Tiere hier. Es kam Graham so vor, als wären das Quaken, Zischen und Schreien der Fauna verzweifelte Bitten, die von den Bäumen und Pflanzen einfach ignoriert wurden. Gleichgültig.
    Und auch heimtückisch. Bei einer

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