Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind
völlig egal; er wollte Vergeltung. Er wollte es den beiden umfassend heimzahlen. Süße, blutige Rache nehmen …
Vielleicht hatte Compton Lewis ja was gefunden.
Sie standen am Ufer des Snake River. Rechts von ihnen, im Osten, erstreckte sich zunehmend flacheres Waldgelände. Links würden sie zu der westlich gelegenen schmalen Schlucht gelangen.
Die Landkarte war bei dem Unfall verloren gegangen. Sie hatten mit Hilfe des GPS hergefunden, das nicht so detailliert war, aber seinen Zweck erfüllte. »Ich würde sagen …« Seine Stimme erstarb, als er Lewis ansah. »Alles in Ordnung?«
»Ja.«
Der andere Mann stand mit hängenden Armen da und hatte die Schrotflinte in einer Hand. Abgesehen von seiner gebeugten Haltung wirkte er wie ein Soldat, der Wache hielt.
»Es hat dich ganz schön mitgenommen, diese Frau zu töten, nicht wahr?«
»Das hätte ich nicht gedacht. Aber ihr in die Augen zu sehen … du weißt schon.«
»Es ist schwer«, sagte Hart. Und dachte: Höchstens beim ersten Mal. Danach fällt es dir gar nicht mehr auf.
Er ließ die Ereignisse bei dem Wohnmobil noch einmal Revue passieren. Lewis hatte das Feuer unter dem Winnebago gelegt und war auf die andere Seite zurückgekehrt. Aus der vorderen Tür kamen zwei Männer gerannt, ein Dicker und ein Dünner mit Bart, der einen Feuerlöscher dabeihatte. Aus der hinteren Tür lief eine Frau ins Freie, sah sich hektisch um und schrie. Hart erschoss die beiden Männer so schnell, dass der Fettsack
nicht mal mehr nach seiner Waffe greifen konnte. Lewis zielte mit der Schrotflinte auf die Frau, machte ansonsten aber nichts.
Hart wollte ihm einen Gefallen tun und die Frau ebenfalls umlegen, als die Schrotflinte plötzlich wie von selbst losging. Lewis schien überrascht zu sein. Brust und Hals der dicken Frau wurden wie von einer unsichtbaren Faust getroffen und fingen an zu bluten. Sie torkelte zurück, fiel auf die Knie und fing an, auf Lewis zuzukriechen. Beim zweiten Mal nahm er genauer Maß und drückte ab. Die Frau kippte nach hinten, strampelte mit den Beinen und starb.
»Das war unerfreulich«, sagte Hart.
Lewis nickte.
»Aber wie schon gesagt, es waren Blinzler, die wahrscheinlich ihr eigenes Zeug geraucht haben. Niemand kocht Meth, ohne selbst davon abhängig zu sein. Vielleicht nicht am Anfang, aber das geht schnell. Es frisst ihre Seelen auf.«
»Ja«, sagte Lewis leise. Dann kam er wieder zu sich. Hart konnte es seinen Augen ansehen.
»Ich würde sagen, sie haben Folgendes gemacht«, fuhr Hart fort und zeigte Lewis das Display des BlackBerry. »Stromaufwärts sind es fast zehn Kilometer bis Point of Rocks.« Er wies nach rechts. Dann zeigte er nach links, in Richtung der Schlucht. »Aber da entlang, den Hügel hinauf, können sie in einer Dreiviertelstunde oder Stunde die Interstate erreichen. Und genau das versuchen sie.«
»Bist du sicher?«
»Ziemlich. Als wir in dem Wagen gesessen haben, hat sie mir erzählt, sie wollte dorthin. Aber sie ist der Trickster, vergiss das nicht. Sie wusste, dass ich den Unfall womöglich überleben würde. Was bedeutete, dass sie mich in die falsche Richtung locken musste. Sie hat die Interstate erwähnt, damit ich glauben würde, in Wahrheit wolle sie nach Point of Rocks.«
»Glaubst du wirklich, sie hat solche Spielchen gespielt?«
Hart steckte den BlackBerry ein und ging ein Stück das Ufer
hinauf. »He, Lewis, wonach sieht das für dich aus?« Er leuchtete mit der Taschenlampe auf den Boden.
»Keine Ahnung. Als hätte jemand den Schlamm gefegt und irgendwelche Fußspuren verwischt.«
»Ganz genau.« Er ging zum Fuß des steilen Hügels. »Okay. Alles klar.« Er hob einen abgebrochenen Ast auf. »Das war der Besen. Sie sind also hier entlanggekommen. Und sieh dir das an …« Er deutete auf einen winzigen Schuhabdruck. »Das kleine Mädchen. Es muss aus dem Wohnmobil entwischt sein.«
Lewis war wieder sehr schweigsam geworden und rieb sich immerzu seine Tätowierung - das Kreuz am Hals.
»Ich halte nichts davon, Kinder zu töten«, sagte Hart. »Wir erledigen die Frauen, aber die Kleine lassen wir laufen.«
Doch komischerweise machte Lewis sich wegen etwas anderem Gedanken.
»Ich wollte dir noch was sagen. Das hätte ich schon früher machen sollen. Aber …«
»Immer raus damit, Comp.«
»Dieser Raubüberfall, von dem ich dir erzählt habe …«
»Welcher Raubüberfall?«
»Die Bank.«
Als Schnee lag und er sich mit dem Wachmann, der ein Excop war, einen Schusswechsel geliefert hatte,
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