Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind
hat?«
»Gewonnen?«
»Bei dem Schießwettbewerb. Sie haben gesagt, Sie hätten den zweiten Platz belegt.«
»Oh nein, das war Dobbie Masters. Der Junge muss schon mit einer Pistole in der Hand geboren worden sein. Aber eins kann ich Ihnen sagen: Brynn mag nicht die beste Trefferquote haben, aber sie feuert und lädt doppelt so schnell wie alle anderen. Bei einem Schusswechsel zählt das viel mehr. Glauben Sie mir.«
58
James Jasons aß seinen zweiten Hamburger. Der war zwar längst kalt, aber Jasons wollte die Kalorien. Er fuhr die Interstate entlang und schaute dabei immer wieder auf das Display eines Kästchens, das er am Armaturenbrett des Lexus befestigt hatte.
Das Signal besagte, dass er noch ungefähr anderthalb Kilometer von seinem Ziel entfernt war. Es bewegte sich nicht mehr und stand nun schon seit etwa zehn Minuten am Straßenrand geparkt.
Jasons dachte an seinen Auftritt als trauernder Freund der Feldmans zurück. Ari Paskell war eine seiner vier Identitäten, einschließlich Fahrzeugkennzeichen und Führerschein. Wenn man für jemanden wie Stanley Mankewitz arbeitete, war das Budget zwar nicht unbegrenzt, aber doch groß genug, um sich die Hilfsmittel zu besorgen, die für eine möglichst - um das Lieblingswort des Gewerkschaftsbosses zu benutzen - effiziente Durchführung der Aufträge vonnöten waren.
Während Jasons beim Haus der Feldmans so getan hatte, als müsse er nach der schlimmen Nachricht um seine Fassung ringen, war ihm jede Menge zu Ohren gekommen. Er hatte die Geschichte von Stevens vermeintlichem Parkplatzstreit erfunden,
um herauszufinden, was die Polizei bisher vermutete: dass es zwei Täter von nicht außergewöhnlich großer Statur gab. Vielen Dank, Deputy Munce.
Er hatte mit der Geschichte außerdem suggerieren wollen, dass das Motiv für die Morde in der näheren Umgebung und nicht in Milwaukee zu suchen sei. Allerdings konnte er nicht sagen, ob Dahl das nun ebenfalls annahm oder nicht.
Darüber hinaus hatte Jasons noch weitere Gesprächsfetzen aufgeschnappt, die ihm weitgehend verrieten, was die Polizei über das Verbrechen wusste. Er hatte derweil so getan, als würde er telefonieren - mit einem Mobiltelefon am Ohr ist man unsichtbar; niemand argwöhnt, man würde ihn belauschen. Der Sheriff hatte keinerlei Verdacht geschöpft, aber Jasons hielt ihn deswegen durchaus nicht für einen Kleinstadttrottel. Intelligente Leute suchen stets nach der einfachsten und logischsten Erklärung einer Situation, und Jasons hatte ihnen alles Nötige geliefert: einen trauernden Freund, einen Führerschein und ein gültiges amtliches Kennzeichen für ein hübsches Auto.
Es half außerdem, dass Jasons bald darauf - wie erwünscht - aufgebrochen war, bevor der Sheriff anfangen konnte, sich über sein hartnäckiges Verweilen zu wundern.
Er brauchte auch gar nicht länger zu bleiben. Denn seine nächsten Schritte hatten nichts mit dem weiteren Vorgehen der Polizei zu tun. Nein, er hatte sich auf den Ehemann der Beamtin konzentriert, die vor Emma Feldmans Mördern in den Wald geflohen war. Und beim Anblick des verschwörerischen Gesprächs zwischen Graham Boyd und Deputy Munce hatte Jasons gefolgert, dass die beiden eine eigene Suchaktion planten, unabhängig von der Absicht des Sheriffs.
Dahl mochte seine Leute kennen, logisch denken können und - wie alle guten Cops - ausreichend Erfahrungen mit der menschlichen Natur im Allgemeinen gesammelt haben, aber er wusste nichts von dem, was man über eine Person erfährt, wenn man mit ihr das Leben und das Schlafzimmer teilt. Jasons
musste nur an seine eigene Beziehung mit Robert denken, um zu wissen, dass dies zutraf.
Also setzte er lieber darauf, dass der Ehemann und Munce ihn zu der Frau namens Brynn und der Freundin der Feldmans führen würden, die Zeuginnen der Morde gewesen waren.
Die beiden Verfolger der Frauen waren wie Motten, die auf eine Flamme zuflatterten, und Jasons wollte, dass sie die Nacht überleben würden.
Er dachte daran, wie Graham ihm beim Haus am Lake Mondac die Hand geschüttelt und »Paskell« sein Beileid ausgesprochen hatte. Jasons hatte ihnen daraufhin viel Glück bei der Suche gewünscht. Graham war zu Munce gegangen, und der Deputy hatte ihm mit gesenktem Kopf zugehört. Dann hatte Munce etwas erwidert, und beide hatten auf ihre Armbanduhren gesehen.
Da hätten sie ihre Absicht auch gleich mit einem Megafon bekannt geben können. Doch wie sich herausstellte, waren die restlichen Anwesenden mit anderen Dingen
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