Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind
Begleiter. »Darf es für Sie noch etwas sein?«, fragte er Brynn, als wolle er ihr als Henkersmahlzeit ein Stück Käsekuchen empfehlen.
Sie schüttelte den Kopf. »Nur die Rechnung.«
Mankewitz goss einen genau bemessenen Schuss Sahne in seinen Kaffee und fügte sowohl ein Tütchen Zucker als auch eine Süßstofftablette hinzu. »Wie ich gehört habe, haben Sie vor einigen Wochen einen recht interessanten Abend verbracht«, sagte er.
Jene Nacht …
»Und woher wissen Sie davon?«
»Ich schaue mir regelmäßig die Nachrichten an.« Er verströmte eine Selbstsicherheit, die Brynn einerseits als beruhigend empfand - weil ihr offenbar keine unmittelbare Gefahr drohte - und andererseits als einschüchternd. Als hätte er noch einen Trumpf im Ärmel und wüsste beispielsweise etwas, das ihr Leben ohne jede Gewaltanwendung zerstören konnte. Er schien die Situation zu kontrollieren.
In diesem Punkt erinnerte er sie an Hart.
»Es ist überaus wichtig, auf dem Laufenden zu bleiben«, fuhr der Gewerkschaftsboss fort. »Als ich noch jung war, vor Ihrer Zeit, gab es jeden Tag um siebzehn Uhr eine einstündige Sendung mit Lokalnachrichten, gefolgt von einer mit nationalen und internationalen Ereignissen … aber die war bloß eine halbe Stunde lang. Walter Cronkite, Huntley und Brinkley … Mir hat das nicht gereicht. Ich möchte so viele Informationen wie möglich haben. CNN zum Beispiel ist ganz großartig. Es ist die Startseite in meinem BlackBerry.«
»Das erklärt nicht, wie Sie hier in diesem Restaurant auftauchen können, das ich ganz zufällig ausgewählt habe … Es sei denn, Sie wussten irgendwoher, dass ich einen Termin bei der Polizei von Milwaukee hatte.«
Er zögerte nur kurz - Brynn schien ins Schwarze getroffen zu haben. »Vielleicht habe ich Sie auch einfach beschattet«, sagte er.
»Nein, das hat er gemacht«, entgegnete sie und deutete auf seinen schmalen Mitarbeiter.
Mankewitz trank lächelnd einen Schluck Kaffee und schaute bedauernd zu der rotierenden Dessertvitrine. »Wir haben ein gemeinsames Interesse, Deputy.«
»Und das wäre?«
»Die Suche nach Emma Feldmans Mörder.«
»Sitzt der nicht gerade zufällig einen halben Meter neben mir und trinkt ziemlich schlechten Kaffee?«
»Der Kaffee ist tatsächlich schlecht. Woher wissen Sie das?«
»Man kann es riechen.«
Er zeigte auf die Getränkedose neben ihrem Teller. »Sie und mein Freund bevorzugen offenbar dieses kalorienarme Zeug. Das ist ungesund, wussten Sie das? Und nein, Sie befinden sich nicht in Gegenwart von Emma Feldmans Mörder.«
Sie schaute über die Schulter. Der andere Kerl trank seine Cola und hatte einen eigenen BlackBerry in der Hand.
Welches war wohl seine Startseite?
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie in Kennesha County viele Mordfälle zu bearbeiten haben«, sagte Mankewitz. »Jedenfalls nicht so einen.«
»Jedenfalls nicht solche «, korrigierte sie ihn. »Es wurden mehrere Leute ermordet.« Da sie immer noch am Leben und der Barmann ein - wenn auch womöglich käuflicher - Augenzeuge war, ging Brynn etwas unbekümmerter zu Werke, fast schon aufsässig.
»Natürlich.« Er nickte.
»Tja, was für Mordfälle bearbeiten wir?«, grübelte Brynn laut. »Häusliche Messerstechereien. Oder es löst sich versehentlich ein Schuss, während jemand einen Supermarkt oder eine Tankstelle ausraubt. Oder ein Meth-Deal geht daneben.«
»Schlimm, diese Droge. Wirklich schlimm.«
Wem sagst du das? »Falls Sie schon mal eine dieser Polizei-Dokusoaps gesehen haben, dann wissen Sie, was wir tun«, sagte sie.
»Der siebzehnte April - das war eine ganz andere Liga.« Er trank den schlechten Kaffee trotzdem weiter. »Gehören Sie einer Polizeigewerkschaft an?«
»Nein, in Kennesha gibt es keine.«
»Ich glaube an Gewerkschaften, Ma’am. Ich glaube an Arbeit, und ich glaube daran, dass jedem eine faire Aufstiegschance zusteht. Es ist wie im Bildungswesen. Die Schule sorgt für gleiche Startbedingungen; eine Gewerkschaft ist genauso.
Wenn Sie bei uns eintreten, versorgen wir Sie mit allem Grundlegenden. Vielleicht reicht Ihnen das, und Sie nehmen Ihren Tariflohn und sind glücklich. Doch falls Sie höhere Ziele haben, können Sie das als Sprungbrett benutzen.«
»Als Sprungbrett?«
»Vielleicht hinkt der Vergleich. Ich bin in dieser Hinsicht nicht besonders kreativ. Wissen Sie, was man mir vorwirft?«
»Keine Einzelheiten. Nur dass es um illegale Einwanderer geht.«
»Man wirft mir vor, dass ich den Leuten gefälschte
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