Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind
Papiere gebe, die besser als die handelsübliche Ware sind. Dann suchen sie sich Jobs in gewerkschaftsfreien Betrieben und organisieren die Arbeiter.«
»Stimmt das?«
»Nein.« Er lächelte. »So lauten die Vorwürfe. Und wissen Sie, wie die Behörden auf diese Beschuldigungen gekommen sind? Diese Anwältin Emma Feldman hat für einen Mandanten irgendein Geschäft abgewickelt und dabei festgestellt, dass viele legale Einwanderer zugleich Gewerkschaftsmitglieder waren - ein wesentlich höherer Prozentsatz als in den meisten anderen Ortsgruppen des Landes. Daraus hat jemand das Gerücht abgeleitet, ich würde den Leuten gefälschte Papiere verkaufen. Deren Greencards sind aber alle echt und wurden von unserer Regierung ausgegeben.«
Brynn überlegte. Der Mann wirkte glaubwürdig. Aber wer weiß?
»Warum sollte jemand so ein Gerücht verbreiten?«
»Ganz einfach. Um die Gewerkschaft kaputt zu machen. Es spricht sich herum, ich sei korrupt. Dass die Ortsgruppe Viernull-acht Terroristen deckt. Dass ich Ausländer ermutige, unsere Jobs zu übernehmen … Und peng, alle stimmen dafür, aus der Gewerkschaft auszutreten und es fortan ohne uns zu versuchen.« Er war aufgewühlt. »Lassen Sie mich Ihnen erklären, wieso man mich schikaniert. Wieso Stanley Mankewitz von der
Bildfläche verschwinden soll. Weil ich die Immigranten nicht hasse. Ich bin sogar sehr für sie. Ich würde jederzeit lieber ein Dutzend Mexikaner, Chinesen oder Bulgaren einstellen, die in dieses Land kommen - legal, möchte ich betonen -, um hart zu arbeiten, als hundert faule Einheimische. Ich sitze also zwischen den Stühlen. Die Arbeitgeber hassen mich, weil ich Gewerkschafter bin. Und meine eigenen Mitglieder hassen mich, weil ich Leute unterstütze, die keine Amerikaner sind.« Er verzog das Gesicht. »Und deshalb gibt es eine Verschwörung gegen mich.«
Brynn seufzte. Sie hatte jegliches Interesse an ihrer Suppe und dem Getränk verloren, das sowieso schal geschmeckt hatte, wahrscheinlich so schlecht wie der Kaffee, wenn auch ohne den üblen Geruch.
Mankewitz senkte die Stimme. »Wissen Sie, dass ich Ihnen am siebzehnten April das Leben gerettet habe?«
Nun hatte er vollends ihre Aufmerksamkeit. Sie runzelte die Stirn. Eigentlich wollte sie sich nichts anmerken lassen, aber sie konnte nicht anders.
»Ich hatte Mr. Jasons geschickt, um meine Interessen zu schützen«, sagte Mankewitz. »Ich wusste, dass ich Emma Feldman und ihren Mann nicht ermordet hatte. Ich wollte den wahren Täter finden. Der konnte mich nämlich zu demjenigen führen, der versucht, mir etwas anzuhängen.«
»O bitte …«, sagte sie und warf ihm einen skeptischen Blick zu. Ihre Wange schmerzte, und Brynn änderte den Gesichtsausdruck.
Mankewitz schaute an ihr vorbei. »James?«
Jasons kam zu ihnen an den Tresen und brachte seinen Aktenkoffer mit. »Ich war im Wald«, sagte er. »Nicht weit von der Klippe, auf der Sie, diese Frau und das kleine Mädchen gewesen sind. Ich hatte ein Gewehr. Sie haben Steine und Holzscheite auf diese Männer hinuntergeworfen.«
»Das waren Sie?«, flüsterte Brynn. Jasons sah so aus, als
könne er eine Waffe nicht mal halten. »Und Sie haben auf uns geschossen?«
»Nicht auf Sie, sondern nur in die Nähe. Damit der Kampf aufhört.« Ein weiterer Schluck Cola. »Ich bin zu dem Haus am See gefahren und habe mich als Freund von Steve Feldman ausgegeben. Dann bin ich Ihrem Mann und dem anderen Deputy in den Wald gefolgt. Ich war nicht da, um jemanden zu töten. Ganz im Gegenteil. Meine Befehle lauteten, dass alle am Leben bleiben sollten. Und ich sollte herausfinden, um wen es sich handelte. Es ist mir zwar gelungen, den Kampf zu beenden, aber ich habe es nicht geschafft, die Täter zu befragen.«
»Wir haben Grund zu der Annahme, dass die Gerüchte über meine angeblichen illegalen Machenschaften von jemandem stammen, der für eine Firma namens Great Lakes Intermodal Container Services arbeitet«, sagte Mankewitz. »Es ist Mr. Jasons hier gelungen, einige Dokumente aufzutreiben …«
»Aufzutreiben?«
»Dokumente, die den Verdacht nahelegen, dass der Chef der Firma in finanzielle Schwierigkeiten geraten war und verzweifelt versucht hat, die Gewerkschaft aus seinem Betrieb zu verdrängen, damit er die Löhne und tariflichen Leistungen kürzen konnte. Der Leiter der dortigen Rechtsabteilung hat uns einige Unterlagen zugespielt, die beweisen, dass der Firmenchef hinter den Gerüchten gesteckt hat.«
»Haben Sie das der Staatsanwaltschaft
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