Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
Mappe auf, las einige Zeilen und zog eine Augenbraue hoch. »Ich glaube, das ist sogar überaus nützlich.« Er blickte auf. »Danke«, sagte er aufrichtig. »Ach, und übrigens, schönen ersten Mai.«

86
    Er mochte diese Stadt.
    Zumindest mochte er sie genug, um hier vorübergehend seine Zelte aufzuschlagen.
    Die Gegend um Green Bay war nicht so hügelig wie der State Park rund um den Lake Mondac und dementsprechend auch weniger pittoresk, doch die eigentliche Bucht war idyllisch und der Fox River auf jene harte, industrielle Art beeindruckend, die Terry Hart schon immer gefallen hatte. Sein Vater hatte ihn häufig ins Stahlwerk mitgenommen, wo der Mann in der Lohnbuchhaltung arbeitete, und der Sohn war stets über alle Maßen begeistert gewesen, mit einem Helm auf dem Kopf durch die Hallen zu laufen, in denen es nach Rauch, Kohle, flüssigem Metall und Gummi stank.
    Sein gemietetes Haus hier lag in einer der durchnummerierten Straßen. Eine Arbeiterunterkunft, nichts Besonderes. Aber funktionell und preiswert. Harts größtes Problem war die Langeweile.
    Auf den richtigen Moment zu warten, hatte ihm noch nie gefallen, aber genau das musste er nun tun. Es blieb ihm nichts anderes übrig, rein gar nichts.
    Wenn es ihm zu monoton wurde, machte er einen Ausflug ins Naturschutzgebiet, das er irgendwie als tröstlich empfand, vor allem weil er zu diesem Zweck über den Lakeview Drive fahren musste - der ebenso hieß wie die Privatstraße am Lake Mondac. Am Ziel unternahm Hart Spaziergänge. Manchmal saß er auch einfach nur im Auto und arbeitete. Er besaß mehrere Prepaid-Mobiltelefone und hörte sich nach neuen Aufträgen um.
    Heute beendete er gerade einen solchen Spaziergang, als
ihm auf einer Lichtung ein Maibaum auffiel. Kinder rannten im Kreis darum herum und wickelten Bänder um den Pfahl. Dann setzten sie sich zu ihrem Picknick hin. In der Nähe stand ein Schulbus, ein gelber Schandfleck mitten im ansonsten hübschen Grün.
    Hart kehrte zu seinem Haus zurück, drehte - nur zur Sicherheit - eine Runde um den Block und ging hinein. Er überprüfte die eingegangenen Nachrichten und tätigte mit einem neuen Prepaid-Telefon einige Anrufe. Dann ging er in die Garage, wo er sich eine winzige Tischlerwerkstatt eingerichtet hatte. Er arbeitete an einem Eigenentwurf. Angefangen hatte es mit bloß ein oder zwei Stunden am Tag. Inzwischen waren es bis zu ungefähr vier. Nichts entspannte ihn so sehr wie die Arbeit mit Holz.
    Während er von Hand schmirgelte, dachte er zurück an jene Nacht im Wald und all die Baumarten, die es dort gegeben hatte - Eiche, Esche, Ahorn, Walnuss, all die Harthölzer, die er für sein Handwerk benötigte. Was er als glattes, präzise zugeschnittenes und rechtwinkliges Nutzholz kaufte, hatte als riesiges, imposantes, sogar einschüchterndes Geschöpf begonnen, das dreißig Meter und mehr emporragte. In gewisser Weise störte es ihn, dass die Bäume gefällt wurden. Andererseits glaubte er jedoch, dass er das Holz ehrte, indem er es in etwas verwandelte, an dem man ebenfalls Gefallen finden konnte.
    Nun musterte er das Projekt, an dem er arbeitete: ein Kasten mit Einlegearbeiten. Hart war mit den Fortschritten zufrieden. Es würde vielleicht ein Geschenk für jemanden sein. Er war sich noch nicht sicher.
    Um zwanzig Uhr an jenem Abend fuhr er nach Green Bay hinein, zu einer Bar mit dunkler Holzeinrichtung, in der es ziemlich gutes Chili gab. Hart setzte sich an den Tresen, bestellte sich eine Schale davon und ein Bier. Nachdem er gegessen hatte, ging er mit seinem zweiten Bier ins Nebenzimmer, wo ein Basketballspiel im Fernsehen lief. Er schaute es sich an und trank
dabei genüsslich. Das Match fand an der Westküste statt, und hier war es bereits später am Abend. Schon bald sahen die anderen Gäste immer häufiger auf die Uhr, standen schließlich auf und gingen nach Hause. Im Spiel stand es 92:60 - und das weit in der zweiten Halbzeit. Die anfängliche Spannung war längst verflogen.
    Egal, es war bloß Basketball. Nicht die Packers.
    Hart betrachtete die Wände. An ihnen hingen zahllose alte Schilder von ehemaligen Brauereien aus ganz Wisconsin; vermutlich waren sie einst berühmt gewesen, auch wenn Hart noch nie von ihnen gehört hatte. Loaf and Stein, Heileman, Foxhead. Von einem Schild der Hibernia Brewing starrte ihn ein Keiler mit bedrohlich großen Hauern an. Aus einem aufgemalten Fernseher schauten zwei Frauen dem Publikum entgegen. Darunter stand geschrieben: Hallo, wir sind Laverne

Weitere Kostenlose Bücher