Nachtschwarze Küsse - Scent of Darkness (Darkness Chosen 01)
Bild passte irgendwie.
Jetzt saß sie hier fest wie die Maus in der Falle. Das hatte sie davon.
Sie lief die Stufen hinauf in sein Schlafzimmer, ohne unterwegs zu stolpern oder irgendetwas fallen zu lassen. Als sie ihren Koffer auspackte und ihre Sachen in den Schrank hängte, gab sie sich mental Pluspunkte für ihre Zielgerichtetheit, für ihr geschicktes Händchen beim Auspacken und dafür, dass sie ihre Nase nicht in Jashas Sakko steckte und seinen Duft einzog … Mist, diese Punkte musste sie wieder streichen. Sie schnupperte unbewusst an seinem Ärmel, als sie ihren Mantel neben seinem deponierte.
Während sie herumwuselte, lauschte sie angestrengt, ob sie irgendetwas hörte, das auf Jashas Rückkehr hindeutete. Motorengeräusche. Das Klimpern des Haustürschlüssels. Nichts. Sie lief noch einmal auf die Galerie und blickte hinunter, aber er war nicht da.
Ihre blühende Fantasie ersann folgendes Szenario: Er war auf einem Spaziergang im Wald gestürzt und hatte sich das Bein gebrochen. Oder, noch dramatischer, ein Berglöwe hatte ihn unterwegs angefallen, er hatte ihn mit letzter Kraft abgewehrt, und jetzt rief er nach ihr.
Und sie - sie ahnte den Ernst der Lage und jagte durch die Nacht, bis sie ihn gefunden hatte. Sie säuberte und verband seine Wunden, konstruierte eine Trage aus Ästen und Zweigen und schleifte ihn nach Hause, wo sie ihn wieder aufpäppelte - blöderweise überzeugte sie diese Geschichte selbst nicht.
Nicht, dass Jasha unverwundbar gewesen wäre. Außerdem liebte er das Risiko. Waghalsig bestieg er die höchsten Gipfel, fuhr begeistert auf Paragliding ab, hatte schon einmal am
Ironman-Triathlon teilgenommen und stand auf Kitesurfen. Im letzten Winter hatte er einen Skiunfall gehabt.
Sie war das Problem. Wenn sie Blut sah, fiel sie in Ohnmacht. Im Übrigen hätte sie persönlich mit dem Handy Hilfe angefordert.
Plötzlich hatte sie die Vision, dass sie, schön und aufopfernd wie Scarlett O’Hara,Verletzte pflegte - wenn da nur nicht die leidige Blutphobie gewesen wäre.
Grundgütiger, hoffentlich hatte Jasha keinen Unfall gehabt oder Schlimmeres!
Eines wusste sie hundertprozentig: Wenn ihm nichts zugestoßen war, war er spätestens zum Abendessen zurück - er ließ nämlich keine Mahlzeit aus. Und wenn sie sich beeilte, konnte sie noch schnell duschen und sich in das schwarzwei ße Seidenwickelkleid werfen, das in der Taille mit einem einzigen Knopf geschlossen wurde.
Ihre Freundin Celia hatte es als ideales Outfit bezeichnet, wenn man flachgelegt werden wollte.
Ann musste ihr irgendwie Recht geben, denn bei jedem Schritt schwang der Rockschlitz bis zu ihrem Oberschenkel auf. Wenn sie an Jashas gebräunte Hand dachte, die über ihr Bein glitt, überlief sie ein glutheißes Prickeln. Außerdem hackte Celia dauernd darauf herum, dass Ann die mit Abstand älteste Jungfrau von ganz Kalifornien sei, einmal abgesehen von den Nonnen aus dem Karmeliterorden an der Küste. Daran musste sich schleunigst etwas ändern.
Ann schnappte sich hastig das Kleid, ein Spitzenhöschen - ein sündhafter Hauch von nichts - und die schwarzen Betsey-Johnson-Riemchenstilettos mit den heißen Holzplateaus, auf denen sie noch größer wirkte, und sprintete ins Bad.
Sie stieg in die geräumige Dusche, drehte die in antikem Bronzelook gehaltenen Armaturen auf. Und brach sämtliche Rekorde im Schnellduschen. Sie benutzte Jashas Shampoo
und seine Seife, beides wurde speziell für ihn hergestellt und war auf seinen Wunsch hin unparfümiert. Fertig geduscht, hielt sie ein Ohr an die Badezimmertür, horchte, öffnete die Tür einen Spalt breit und lauschte erneut.
Nichts. Kein Geräusch. Er war noch nicht da.
Mit flattrigen Fingern griff sie nach einem der duftig frischen Badetücher und trocknete sich ab.
In Jashas Gegenwart schlug ihr Herz jedes Mal höher. Sie war nämlich bis über beide Ohren in ihn verknallt. Und in der ständigen Sorge, dass er irgendetwas merken könnte, wenn sie plötzlich wirr herumstammelte, bloß weil er sich am Schreibtisch mal wieder dicht über sie beugte. Zudem errötete sie immer, wenn er sie anschaute.
Der Typ merkte einfach nichts. Für Jasha war sie vermutlich ein Neutrum, eine ausnehmend effiziente graue Maus, die Verträge ausfertigte, seine Korrespondenz erledigte und Telefonate führte. War er geschäftlich unterwegs, übertrug er ihr die Verantwortung für Wilder Wines, und wenn seine Topmanager sich beschwerten, fixierte er die hohen Herren mit unbewegter Miene und
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