Nachtschwarze Küsse - Scent of Darkness (Darkness Chosen 01)
Dann glitt sie geräuschlos durch den Gang. Auf der Empore blieb sie stehen.
Sie vernahm leises Schnaufen. Und Hecheln.
Hatte Jasha einen Hund?
Sie spähte über das Geländer.
Tatsächlich, vor dem flackernden Feuerschein stand ein Hund. Er war riesig, mit massigen Schultern und langen, sehnigen Extremitäten. Sie schätzte das Tier locker auf siebzig Kilo, sein schwarz-silbriges Fell glänzte im Rotgold der Flammen. Ein dunkles, missfälliges Knurren entfuhr seiner Kehle.
Ann hatte zwar keine Angst vor Hunden, ein derart bedrohliches Knurren hatte sie allerdings noch nie gehört.
Unvermittelt drehte der Hund den Kopf. Angesichts seiner auffälligen Schnauze, den vernarbten Lefzen über den weißen, drohend gefletschten Zähnen wich Ann automatisch zurück.
Ein Wolf. Ein Wolf stand da unten vor dem Kamin.
Das Herz rutschte ihr in die Hose.
Wie war der Wolf ins Haus gekommen? War der hintere Eingang nicht verschlossen? War er etwa durchs Fenster gesprungen?
Wo war Jasha? Womöglich kam er noch nichts Böses ahnend ins Haus und wurde von dieser Bestie zerfleischt.
Sie beugte sich weiter vor, ließ den Blick über die Galerie nach unten schweifen, in jeden Winkel der bombastischen Halle.
Verdammt, keine Spur von ihrem Boss. Obwohl der Wolf nicht mehr knurrte, wusste Ann, dass er gefährlich war. Ein Killer. Ein Räuber.
Während sie sich vorsichtig vom Geländer löste, nahm ein Plan in ihrem Kopf Gestalt an. Genau das machte die unschätzbare Geschäftsführungsassistentin aus: ein kühler Kopf. Geh wieder ins Schlafzimmer. Schließ dich ein. Ruf Jasha auf seinem Handy an und warn ihn. Danach verständigst du die Polizei, dass sie schleunigst jemanden rausschicken sollen, der dieses Vieh einfängt …
Sie stockte mitten in der Bewegung und starrte wie paralysiert nach unten.
Der Wolf sah irgendwie anders aus.
Sie presste die Lider zusammen. Klappte sie wieder auf.
Ich glaub, ich reagier auf irgendwas allergisch. Auf den Geruch in dem neuen Wagen … Vielleicht auch auf Jashas Seife … Irgend so was. Weil ich ganz bestimmt halluziniere.
Er sah … größer aus. Das Fell auf seinen muskulösen Schultern lichtete sich, und seine Ohren … seine Ohren waren mit einem Mal kahl und rundeten sich, legten sich seitlich an seinen Kopf.
Der Wolf begann einem Menschen … einem Mann zu ähneln.
Und dieser Mann hatte eine verblüffende Ähnlichkeit mit Jasha.
4
O ja, jetzt war sie definitiv übergeschnappt, seufzte Ann. Der ganze Stress angesichts der langen Fahrt, weil sie Jasha überraschen wollte, nahm ihr den Blick für die Realität.
Der Schock setzte ihr logisches Denkvermögen außer Kraft. Magisch angezogen von einer Faszination, die sie auch in Jashas Nähe empfand, glitt sie geräuschlos über das Parkett zu der obersten Treppenstufe.
Der Wolf stand auf seinen Hinterläufen. Hoch aufgerichtet wie ein Mensch.
Das Blut gefror ihr in den Adern. Eine eisige Gänsehaut lief über ihre Wirbelsäule. Die Atmosphäre im Haus mutete mit einem Mal gespenstisch erdrückend an.
Sie verfolgte das Szenario mit schreckgeweiteten Augen. Das war Jasha. Ja … dieses Ding da unten war wahrhaftig Jasha.
Der dichte Pelz auf seinem Kopf verwandelte sich in schwarzes Haar - Jashas Haar, an den Schläfen mit feinen silbernen Fäden durchzogen. Das Fell auf seiner Haut verschwand, und sie gewahrte das auffällige Tattoo auf seinem rechten Arm. Ann begann zu schwitzen.
Er war nackt. Splitternackt, ohne einen Fetzen Stoff am Leib.
Und sie war offenbar die schlimmste Perverse, die auf Gottes weiter Erde herumlief, denn sein nackter, knackig gebräunter Po machte sie total an. Sie bemühte sich, vor derart viel Erotik die Augen zu verschließen und tief durchzuatmen. Womöglich schwebst du in großer Gefahr, redete sie sich tüchtig ins Gewissen. Es half nichts.
Sie tastete sich zaghaft die Stufen hinunter, dabei musste sie zwangsläufig die Lider öffnen, um nicht zu stürzen. Tief durchzuatmen wagte sie nicht, aus Angst, er könnte sie bemerken.
Bloß nicht stolpern, Ann.
Sei leise, Ann.
Die Transformation vollzog sich langsam, ein- oder zweimal stöhnte er, als bereitete ihm die Verwandlung Schmerzen. Aus den Pfoten wurden Hände, große Hände mit Jashas langen Fingern, mit denen er sich seine Haare zurückschob. Halb ärgerlich, halb bestürzt - Ann kannte diese Geste.
Mit jedem Schritt die Stufen hinunter verwandelte sich das Unbegreifliche in Gewissheit. Die junge Frau bekam es mit der Angst zu tun. Der
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