Nachtschwarze Küsse - Scent of Darkness (Darkness Chosen 01)
Nonnen, Schwester Catherine, hatte sich redlich bemüht, sie zum ausgelassenen Herumtollen und Toben zu bewegen. Sie hatte mit ihr im Sand gespielt, sich mit ihr im Gras gewälzt oder wild geschaukelt. Ann hatte es versucht, war aber nie mit dem Herzen dabei gewesen.
Einmal wollte Schwester Catherine sie dazu überreden, mit Fingerfarben zu malen. Und musste laut losprusten, weil die sonst so folgsame Ann ihr eine miesepetrige Grimasse schnitt.
Eines Abends, als die anderen Kinder Hausaufgaben machten, hatte Schwester Catherine mit Ann draußen auf einer der großen Schaukeln gesessen. Sie hatte sie beide immer höher in die Lüfte geschwungen und atemlos gelacht, gar nicht wie eine Ordensschwester, sondern glockenhell wie ein Engel, der seine Schwingen ausbreitete und unbeschwert davonflog. Und plötzlich hatte das Mädchen in ihr Lachen eingestimmt und für einen kurzen Augenblick ihr schweres Los vergessen.
Und jetzt stand Ann unter der Dusche, eine Hand auf ihren Rücken gepresst, ihren Blick nach innen gekehrt.
Das Lachen war ihr bald vergangen.
Sie zog das Böse an. Und geriet dauernd an die falschen Menschen.
Sie hatte ihre Lektion gelernt, eine harte Lektion, die sie für das Leben geprägt hatte. Nie wieder war Ann so ausgelassen gewesen, denn bei allem, was sie tat, schwebte der Geist von Schwester Catherine bedrohlich über ihr.
Jasha glaubte, sie hätte niemals Kind sein dürfen.
O doch. Allerdings war sie ein sehr folgsames Kind gewesen. Ann hätte niemals etwas getan, was man nicht tun durfte.
Bis jetzt.
Sie lehnte ihren Kopf an die feucht bedampften Fliesen und schloss die Augen.
Einmal ist immer das erste Mal. Ein einziges Mal bloß hatte sie etwas Verruchtes und Verbotenes gemacht, und prompt hatte sie die Bescherung.
Alles Jammern nützt nichts, hätte Schwester Mary Magdalene jetzt gesagt. Was passiert war, war passiert, und Ann musste mit den Konsequenzen leben.
Ann stieg aus der Duschtasse, trocknete sich ab und wickelte sich in den Bademantel.
Sie nahm das Heiligenbild von der Ablage, wusch vorsichtig den Schmutz ab. Dabei betrachtete sie es von allen Seiten.
Die Ikone war schön. Perfekt. Ein Wunder.
Unmöglich, dass Jasha sich daran die Haut verbrannt hatte, sann sie verwirrt. Gleichwohl hatte sie den Rauch genau gesehen.
Sie war bei Nonnen aufgewachsen. Und wusste sehr wohl, was ein derartiges Omen bedeutete.
Irgendwie, irgendwann hatte er Gott enttäuscht, und jetzt lastete ein Fluch auf ihm.
Eine einsame Träne kullerte über ihre Wange, tropfte auf das Madonnenantlitz, und Ann wischte sie gedankenverloren weg.
Das alles war ihr unbegreiflich. Stimmte irgendetwas nicht mit Jasha? Hatte er übernormale Fähigkeiten? Gut, er war attraktiver als die meisten Männer, aber auch nicht überirdisch schön. Er zog Frauen an wie der Honig die Bienen, aber
das war offensichtlich keine übernormale Gabe, zumal seine Verlobte ihn wegen der dauernden Flirtgeschichten verlassen hatte. Zweifellos war er ein brillanter Geschäftsmann, aber doch nur darum, weil er bis spät in die Nacht arbeitete und ein Händchen für gute Mitarbeiter hatte, und nicht, weil seine Rivalen nach mysteriösen Wolfsattacken das Zeitliche segneten.
Wer oder was war er? An diesem Punkt wich er ihr aus und weigerte sich hartnäckig, ihr diese Frage zu beantworten.
Lastete ein Fluch auf ihm?
Und wenn ja, was bedeutete das für sie? Sie hatte ihm nachgegeben. Statt sich mit Händen und Füßen zu sträuben, hatte sie die Finger nicht von ihm lassen können.
Schlimmer noch, sie versuchte nicht mal mehr zu fliehen.
Sie ließ die Ikone in die Tasche des Bademantels gleiten.
Jetzt würde sie in sein herrschaftliches Schlafzimmer gehen und sich in eine Wanne mit dampfend heißem duftendem Wasser legen.
Und dafür irgendwann ganz sicher in der Hölle schmoren müssen.
Folglich konnte sie diese Nacht in vollen Zügen genießen, als ob es ihre letzte wäre.
9
J asha stand bewegungslos in der großen Halle und nahm konzentriert Witterung auf. Er roch das vorüberziehende Gewitter, harzigen Tannenduft und feuchten Waldboden. Diese Gerüche strömten durch das zerbrochene Fenster und erfüllten das gesamte Haus.
Er schnupperte die strengen Ausdünstungen des Wolfsrudels, die er vorhin mit hereingebracht hatte. Anns femininer Duft hing überall im Haus; er entströmte wie ein duftiger Hauch den Unterlagen, die sie aus dem Büro mitgebracht hatte, der Aktentasche, die sie für ihn gepackt hatte, und dem Laptop,
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