Nachtschwarze Küsse - Scent of Darkness (Darkness Chosen 01)
den sie benutzte. Jedoch schien dieser Duft jetzt von ihrem Entsetzen überlagert, mit dem sie seine Verwandlungen beobachtet hatte; es war jene Witterung, die er gleich nach ihrer Ankunft aufgenommen hatte. Damit war er auf sie aufmerksam geworden.
Sonst war niemand da gewesen. Zumindest kein Mensch.
Er lauschte angespannt. Im Wirtschaftsraum drehte Ann eben die Dusche ab. Er hörte das Summen des Wasserboilers im Keller. Draußen raschelte es in den Büschen, weil die Wolfsmeute das Haus umkreiste.
Sonst war es still.
Sein Blick glitt forschend in jeden Winkel. Der Wind, der durch das zerbrochene Fenster pfiff, hatte die Zeitschriften auf dem Kaffeetisch aufgeblättert. Er gewahrte die Pfotenabdrücke, die er auf dem Parkett hinterlassen, die Stilettos, die Ann nach ihm geworfen hatte, und betrachtete nachdenklich das eingetrocknete Blut auf seiner Brust.
Die Frau hatte ein gutes Auge und war ziemlich treffsicher.
Er berührte das brennende Mal auf seiner Wange.
Verdammt treffsicher.
Außer Ann war heute niemand in sein Haus eingedrungen.
Aber sie würden kommen.
Seine Mutter hatte eine Vision gehabt. So viel stand fest. Und sie war in einen Trancezustand gefallen. Möglich, dass sie ihre eigenen Vorahnungen ausgesprochen hatte. Irgendwelche düsteren Prophezeiungen. Keine Ahnung, verflucht nochmal.
Er hatte sie nie zuvor so erlebt. Hatte nicht mal geahnt, dass sie diese Gabe besaß. War seine Mutter tatsächlich eine Hellseherin?
Die Blinden können sehen, und die Söhne von Oleg Varinski haben uns gefunden.
Die Akten der Familie Wilder waren sicher aufgehoben. Sein Haus war mit einer Alarmanlage gesichert. Es hatte sich nichts verändert.
Doch - alles hatte sich verändert. Alles.
» Du darfst dir nie sicher sein, denn sie sind überall. Um den Pakt nicht zu gefährden, wollen sie dich vernichten.«
Der Pakt. Er wusste um den Pakt. Es war zwangsläufig geschehen: an dem Tag, als seine erste Verwandlung stattgefunden hatte. Da hatte sein Vater sich zu ihm gesetzt und ihm alles erklärt. Aber ein Dreizehnjähriger, der gerade festgestellt hatte, dass er sich in ein Raubtier verwandeln konnte, und dabei ein megacooles Tattoo an seinem Körper entdeckte, dem auf beiden Wangen dünne Tast- statt Barthaare wuchsen, hatte weiß Gott andere Probleme. Ehrlich gesagt hatte ihn dieser unsägliche Pakt damals nicht die Bohne interessiert.
Vor tausend Jahren? Die Familie Varinski? Der meistgefürchtete Name im gesamten russischen Zarenreich? Ein Pakt mit dem Teufel?
Ja, Papa. Klar, Papa. Cool. Jetzt kann ich die ganze Nacht ausbleiben, denn wenn ich mich in ein wildes Tier verwandeln kann, brauche ich nicht mehr in die Schule zu gehen.
Er und Konstantine hatten daraufhin eine hitzige, wortreiche Auseinandersetzung geführt.
Jasha war am nächsten Morgen zur Schule gegangen. Solange er mit seinem Vater unter einem Dach wohnte, hatte er keinen Schultag versäumt, und als er ein einziges Mal nachts weggeblieben war, hatte Konstantine ihm gehörig die Leviten gelesen.
Sein Vater stammte nämlich aus dem früheren Zarenreich, aus Russland, und seine Söhne gehorchten ihm, fürchteten - und liebten ihn.
Und du, mein Geliebter. Du hast dein Leben verwirkt.
Unfassbar. Mit diesen Worten hatte seine Mutter das Todesurteil über seinen Vater verkündet.
Jasha lief zum Telefon, weil das rote Licht des Anrufbeantworters aufleuchtete. Und lauschte abermals Firebirds Stimme: »Papa wird nicht mehr künstlich beatmet. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Die Ärzte haben immer noch keine genaue Diagnose gestellt, außer dass es was mit dem Herzen zu tun hat. Aber was, da stehen sie vor einem Rätsel.« Firebird senkte die Stimme. »Ich hab mitbekommen, wie die Schwestern sich zuflüsterten, dass sie es bei Papa mit einem parapsychischen Phänomen zu tun hätten und wir bei einem Geisterheiler besser aufgehoben wären.«
»Typisch«, grummelte Jasha und löschte die Aufzeichnung.
Zorana liebte Konstantine. Jasha wusste das so sicher, wie der Mond um die Erde kreist. Aber vor drei Tagen, am vierten Juli, hatte sein Weltbild einen Knacks bekommen. Da hatte seine Mutter Dinge gesagt, schauerliche Dinge. Er würde niemals vergessen, wie seine Mom mit dem Finger auf seinen Dad gezeigt und ihm den Tod und ewige Verdammnis prophezeit hatte.
Ihre Prophezeiung war nicht einfach aus der Luft gegriffen - wie sich augenblicklich gezeigt hatte.
Sein Vater hatte Zorana angestarrt. Währenddessen füllten sich seine Augen
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