Nachtschwarze Küsse - Scent of Darkness (Darkness Chosen 01)
Bewusstsein.
Ann schob ihr Glas von sich.
Jasha stand auf, nahm die Flasche und schenkte eine weitere Runde ein. Nach einem skeptischen Blick von ihm zu ihr und zu seiner Mutter lief er zu den Fenstern und zog die Vorhänge vor.
Sofort löste sich die Anspannung, die wie ein zentnerschwerer Mühlstein auf Anns Brustkorb gelastet hatte.
Zorana wendete sich abermals an Ann. »Als ich diese Vision hatte, sagte ich, dass …« Sie stockte und schluckte, als kämpfte sie mit den Tränen. »Ich sagte, dass wir den Pakt mit dem Teufel noch vor Konstantines Tod brechen müssen. Sonst fährt er in die Hölle, und wir werden für immer voneinander getrennt.«
Ann bemerkte die Bestürzung in Zoranas riesigen dunklen Augen und dass Ruriks Hand erkennbar zitterte, als er das Wodkaglas zum Mund führte.
Zorana fuhr fort. »Ich sagte … ich sagte, dass Konstantine sterben würde. Und dann … dann brach er zusammen … er
stürzte zu Boden … in den Schmutz … Ich wollte ihn noch auffangen, aber ich stürzte auch …«
»Schscht, ruyshka , weine nicht.« Konstantine nahm ihre Hand in seine und drückte sie. »Die Ärzte wissen gar nicht, wovon sie reden.«
Zorana erwiderte seinen Händedruck, während sie Ann aufklärte: »Die Ärzte haben ihm eine Diagnose gestellt. Sie gehen davon aus, dass ihm noch höchstens zwei, drei Jahre bleiben.«
Konstantine winkte hektisch ab. »Das sind alles bloß Quacksalber!« Er wirkte jedoch zunehmend erschöpfter.
Nach einem Blick zu ihm erzählte Zorana ihre Geschichte kurz zu Ende. »Also, Ann, dass du diese Ikone gefunden und hier auf den Tisch gelegt hast! Das ist das größte Geschenk für uns. Es ist uns von Herzen kostbar.«
»Wo sollen wir sie aufbewahren?« Firebird griff nach dem Bildchen.
Jasha schob ihre Hand weg. »Nein, lass das! Die Madonna hat mich verbrannt.« Er zeigte Firebird die roten Male in seinem Gesicht und auf seiner Hand.
»Im Ernst, mein Junge? Lass mal sehen«, brummte Konstantine. Jasha stand auf und ging zu seinem Vater, woraufhin der die roten Stellen inspizierte. »Tun sie weh?«
Rurik beugte sich interessiert zu ihnen vor, lehnte sich wieder in seinen Sessel zurück und verschränkte missmutig die Arme vor der Brust.
»Es ist, als würden sich winzige glühende Kohlen unter meiner Haut bis in den Knochen brennen«, erklärte Jasha.
In Jashas Miene las Ann den gehetzten Ausdruck eines leidenden Raubtiers.
Hatte er tatsächlich die ganze Zeit über Schmerzen gehabt? Und ihr nichts gesagt?
Sie betrachtete ihre Handfläche mit der inzwischen verblassten
Narbe, die die Pfeilspitze verursacht hatte. Hatte sie nicht ähnlich wie Jasha empfunden? Zwar kein Brennen, aber ein heißes Prickeln, eine Warnung, dass Dämonenblut durch ihre Venen strömte? Und hatte sie nach dem Tod des Varinski nicht ein ähnliches Phänomen bemerkt - eine heiße Glut, die ihr Rückenmal durchflutete - und dieses Gefühl geflissentlich ignoriert?
»Der Schmerz ist der Preis, den wir für unsere Gaben zu zahlen haben.« Konstantine drückte Jasha mitfühlend den Arm.
Firebird befeuchtete sich mit Spucke die Fingerspitzen, ehe sie die Ikone vorsichtig berührte.
Nichts passierte.
Den Blick auf ihre Finger geheftet, umschloss sie zaghaft die Heilige Jungfrau. »Es ist die Madonna mit dem Kind. Sie ist wunderschön.« Tränen traten in Firebirds Augen, schimmerten auf ihren Wangen.
»Ja. Die Farben sind faszinierend. Und die Szene ist anrührend in ihrer Schönheit.« Ann weinte ebenfalls.
Zorana streckte die Hand danach aus.
»Nein.« Konstantine hielt sie am Arm fest.
Jasha und Rurik erstarrten.
»Konstantine, sei unbesorgt.«
Er blickte zu ihr, ließ die Hand sinken und neigte den Kopf.
»Die Visionen lassen sich nicht steuern. Sie unterbinden zu wollen bringt nichts, außer dass wir im Dunkeln tappen, wo wir eigentlich Erhellung brauchen.« Zorana wandte sich an ihre Söhne. »Wisst ihr, warum euer Vater mich aus meinem Clan raubte?«
»Weil er ein gerissener Bursche und scharf auf dich war?«, tippte Rurik.
Konstantine war der Einzige, der lachend nickte.
»Das auch«, meinte Zorana gedehnt. »Er entführte mich in erster Linie deshalb, weil er wollte, dass ich meine Gabe an seine Söhne weitervererbe. Und wer weiß? Vielleicht hab ich das ja.«
Rurik kippelte hektisch mit dem Stuhl nach hinten. Zu weit. Er verlor das Gleichgewicht, ruderte hilflos mit den Armen, bevor er mit einem lauten Knall nach hinten donnerte.
Dieses Mal lachte Zorana auch.
Er stand
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