Nachtschwarze Küsse - Scent of Darkness (Darkness Chosen 01)
tief in ihr verwurzelt. Zu allem Überfluss hatte diese Nonne, Schwester Mary Magdalene, ihr eingeimpft, dankbar zu sein.
Er hasste Dankbarkeit.
Zorana wischte sich die Hände an einem Küchenhandtuch. »Lammbraten? Ann, magst du Lamm?«
»O ja, sehr.«
»Das wär doch ein passendes Hauptgericht, oder?«, wollte Zorana von ihren Söhnen wissen. »Immerhin feiern wir heute die Rettung eures Vaters.«
»Das ist genial.« Um Anns Lippen spielte ein verhaltenes Lächeln.
Unversehens war Jasha wie ausgewechselt. Selbst im Büro war ein Lächeln von Ann immer wieder ein Ereignis. Sie merkte gar nicht, wie sehr sich ihre Mitarbeiter anstrengten, sie fröhlich zu stimmen. Wenn sie lächelte, wurde allen warm ums Herz.
Ihre Stimme weich und einfühlsam, stellte Zorana fest: »Es ist deinetwegen, Ann, dass wir dieses Fest feiern können.«
»Es war reine Glücksache, dass ich die Ikone fand«, sagte Ann bescheiden.
»Nein, es war Schicksal«, beteuerte Zorana.
Anns Miene verdunkelte sich mit einem Mal, und sie presste eine Hand auf ihre rechte Hüfte, als hätte sie dort Schmerzen.
»Hast du Rückenschmerzen von Firebirds Schlafsofa?« Jasha warf ihr ein jungenhaftes Grinsen zu. »Möchtest wohl lieber wieder draußen auf dem Waldboden übernachten, was?«
Hastig zog sie ihre Hand weg und setzte sich kerzengerade auf. »Ach was, ich bin völlig okay!«
»Lass den Quatsch, Jasha«, mahnte seine Mutter.
Ihr Sohn verstummte. Schließlich fiel ihm wieder ein, dass sie sich häufiger die Hüfte stützte. Hatte sie Kreuzschmerzen? Sie machte ein ertapptes Gesicht. Hatte sie ihm etwas verheimlicht? Eine Muskelzerrung oder einen Sonnenbrand?
Während ihrer Trekkingtour durch die Wildnis hatte Jasha sich ausschließlich auf Ann konzentriert. Am liebsten hätte er sie auf Händen getragen, damit ihr auch ja kein Härchen gekrümmt würde. Er hatte schon früh erkannt, dass sie eine kluge, unverzichtbare Mitarbeiterin war; inzwischen hatte er ihre strahlende Schönheit und den amazonenhaften Mut erkannt, der in ihr steckte.
Er stand auf und holte sich einen Kaffee.
Sie hielt sich für feige, weil sie ängstlich war.
Für ihn dagegen war sie eine erfolgreiche Überlebenskünstlerin, weil sie trotz ihrer Ängste kämpfte.
Sie würde es ihm niemals auf die Nase binden, wenn sie sich verletzt oder er ihr wehgetan hätte. Er nahm sich vor, sie heimlich zu beobachten. Vielleicht glückte es ihm auf diese Weise, festzustellen, was ihr fehlte.
Er holte die Kaffeekanne und schenkte ihr nach, und als sie den Kopf hob und sich bedanken wollte, küsste er sie.
Zwei Abende zuvor war er dem Feuer der Leidenschaft erlegen. Er hatte sie verführt, weil es über ihn gekommen war. Es war nicht ausgeschlossen, dass er bald sterben würde, und er wollte sie wenigstens noch einmal besitzen. Gestern Nacht hatte sie den Spieß umgedreht und ihn vernascht, indem sie ihm eine süße Folter auferlegte und ihm himmlische Wonnen bescherte.
Wieso hatte er sich eigentlich heute Nacht schlaflos, weil rattenscharf im Bett gewälzt?
Weil er sich daran gewöhnt hatte, dass sie bei ihm war. Er wachte morgens auf, wenn sie sich schläfrig dehnte und streckte, er hielt sie in seinen Armen und begehrte sie. Er hatte ständig Lust. Selbst wenn er hundertfünfzig Jahre alt werden würde, würde sie ihn noch erregen.
Ihr Sex - guter, heißer Sex - hatte Ann jedoch nicht davon überzeugt, dass sie zu ihm gehörte. In seiner Familie wähnte sie sich weiterhin isoliert. Das spürte er instinktiv.
Und er wollte nicht, dass sie sich einsam fühlte. »Ann«, flüsterte er. Er legte seine freie Hand auf ihre Schulter und küsste sie abermals.
Sie verkrampfte sich, weil es ihr peinlich war, ihn vor Publikum zu küssen, indes schmolz ihr Widerstand wie Eiskristalle in der Sonne. Sie schmiegte sich an ihn und erwiderte seinen Kuss.
»Verzieht euch endlich in euer Zimmer!«, platzte Rurik heraus.
Ann löste sich ruckartig von Jasha und wurde erdbeerrot im Gesicht.
»Ich wünschte, wir hätten eins«, versetzte Jasha gallig.
»Bevor du gehst, gib mir mal die Kaffeekanne rüber«, rief Rurik.
Jasha reichte sie ihm. Als er aufsah, fing er den skeptischen Blick seiner Mutter auf.
Sie hatte zwar keine Vision, sah aber definitiv mehr, als ihm lieb war. Seine Eltern hatten sich durch eine Entführung kennen und lieben gelernt und gegen den wütenden Widerstand ihrer Angehörigen geheiratet, trotzdem galten für sie traditionelle Werte, und ihre Söhne sollten
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