Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising

Titel: Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Peeler
Vom Netzwerk:
des Kästchens, ohne es jedoch zu berühren, und konzentrierte sich. Ich spürte, wie sich mir die Nackenhaare aufstellten, und mein Pony fing leicht an zu flattern, als die Kraft um mich herumwirbelte.
    Nach gefühlten Stunden, die in Wahrheit wohl nicht länger als dreißig Sekunden dauerten, hörte ich ihn schließlich kichern, und es klang, als sei er sehr zufrieden mit sich.
    »Verzaubert, tatsächlich.« Er grinste, nahm den Kasten aus dem Fach und sprang lässig vom Sessel.
    »Es war wirklich schlau von dir, das nicht anzufassen«, sagte er, als er das Kästchen auf Jimmus Bett abstellte. »Hättest du es berührt, wärst nicht nur du in die Luft geflogen, sondern der ganze Gebäudeflügel.«
    »Na großartig«, sagte ich trocken. »Gut, dass du mir das sagst. Und wie hast du es dann geschafft, sie zu öffnen?«
    »Büchsen sind nun mal meine Spezialität«, sagte er mit einem zweideutigen Grinsen. »Überhaupt bin ich gut im Öffnen von Sachen.«

    »Und ich bin der lebende Beweis dafür«, dachte ich, ließ mich aber nicht von seiner Bemerkung ködern. »Was ist drin?«
    »Schauen wir nach«, sagte er und machte den kleinen Verschluss der Box auf.
    Vorsichtig lugten wir hinein. »Oh, Scheiße«, sagte Ryu. Ich würgte. In dem Kästchen war ein ZipLock-Tütchen. Zuerst dachte ich, es seien tote Mäuse darin. Dann dachte ich, es seien tote Mäuse ohne Fell. Doch dann erkannte ich, was es wirklich war.
    Das Tütchen war voll mit abgeschnittenen Ohren.
    Da sie die ganze Zeit durch Jimmus Kraftfeld geschützt gewesen waren, wiesen sie keinerlei Anzeichen von Verwesung auf. Offenbar waren sie mit klinischer Präzision abgetrennt worden. Doch keine dieser Tatsachen machte ihren Anblick weniger grotesk. Der rosa Haufen kam mir so verletzlich vor, so eigentümlich menschlich - von der leicht wulstigen Ohrmuschel des einen bis zu dem makellosen Perlenohrring, mit dem ein anderes geschmückt war. Ich glaube, es wäre mir lieber gewesen, wenn sie bis zur Unkenntlichkeit verwest gewesen wären.
    Ich ließ mich kraftlos aufs Bett fallen. Mein Magen rebellierte. Ryu schloss den Kasten und stieg auf den Sessel, um ihn wieder an seinen Platz zurückzustellen. Ich atmete tief und konzentriert und sah zu, wie seine Finger vor dem Verschluss der Schatulle herumtanzten. Als er fertig war, stellte er auch noch den Sessel an seinen ursprünglichen Platz zurück. Dann nahm er mich bei der Hand und führte mich zur Tür. Wir huschten aus Jimmus Zimmer, nachdem Ryu sich vergewissert hatte, dass niemand draußen im Flur war.
Dann führte er mich zu unserer eigenen Suite zurück. Dort angelangt, schaffte ich es gerade noch rechtzeitig ins Badezimmer, wo ich die beiden Croissants und den Kaffee wieder von mir gab.
    Ryu hielt mir die Haare mit einer Hand aus dem Gesicht und strich mir mit der anderen tröstend über den Rücken. Er redete murmelnd auf mich ein, als wolle er ein Pferd beruhigen. Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu würgen - jedes Mal, wenn ich das Gefühl hatte, mich besserzufühlen, musste ich an Joe Gonzalez aus Shreveport denken. Eines der Ohren musste seins gewesen sein. Alles, was er verbrochen hatte, war, schöne Tomaten anzupflanzen, und jetzt steckte sein abgetrenntes Ohr in einer Plastiktüte, während er unter der Erde verrottete.
    Schließlich bekam ich mich doch wieder in den Griff und lehnte mich zurück in Ryus Arme. Er hielt mich fest und hörte nicht auf, beruhigend sinnloses Zeug auf mich einzureden. Mit seiner Hilfe schaffte ich es aufzustehen und zum Waschbecken hinüberzugehen, wo ich mir das Gesicht mit kaltem Wasser wusch und die Zähne putzte.
    Dann kuschelten wir uns zusammen auf unser großes Bett. Ich hatte solche Angst, dass ich mich regelrecht an Ryu festklammerte. Vorher war alles wie ein cooler Krimi gewesen und die Toten nichts als Namen auf einer Liste. Aber nun, da ich diese Ohren gesehen hatte, wusste ich, dass das alles wirklich war. Die Namen standen für echte Menschen - alle waren tot -, und ich hatte heute Morgen Auge in Auge ihrem Mörder gegenübergestanden.
    Ich war die Nächste auf seiner Liste.
    Zitternd kniff ich die Augen zu. Ryu hielt mich ganz fest,
küsste sanft mein Gesicht und flüsterte mir zu, ich solle zu ihm zurückkommen. Aber wenn zu ihm zurückzukommen hieß, ein Teil seines beschissenen Hofes hier zu sein, vielen Dank auch, dann blieb ich lieber in meinem Lummerland.
    »Hilft es dir ein bisschen, wenn ich dir sage, dass du Recht hattest?«, fragte er mich, als

Weitere Kostenlose Bücher