Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising
unser beider Überraschung bog er in eine Parklücke direkt vor dem Laden ein.
So etwas kam nicht alle Tage vor, nicht einmal während der Hochsaison.
Das Verdeck des Wagens war offen, eine weitere Überraschung zu dieser Jahreszeit. Es war ziemlich kalt, zumindest für alle außer mir.
Als der Fahrer die Autotür öffnete und ausstieg, miaute Grizzie lüstern. Ich pflichtete ihr bei - allerdings nur in Gedanken. Wir hatten ihn gut im Blick, als er anfing, sich nach dem Aussteigen zu strecken. Er war nicht außergewöhnlich groß, vielleicht einen Meter fünfundsiebzig. Aber er sah sehr gut aus. Man konnte sehen, dass sich unter seinem makellosen Hemd breite Schultern verbargen, und der Ledergürtel an seinen braunen Tweedhosen schmiegte sich um schmale Hüften. Er trug Schuhe, von denen ich nur vermuten
konnte, dass es Brogues waren, da ich noch nie welche gesehen hatte. Auf jeden Fall sahen sie teuer aus. Genauso wie seine Fliegerbrille mit Goldrand. Er strahlte Erfolg und Selbstbewusstsein aus, und ich verspürte einen leichten Stich der Enttäuschung. »Zu schade, wahrscheinlich bist du ein Mistkerl«, dachte ich abfällig. »So lecker, wie du aussiehst.« Doch dann besann ich mich. »Jane, sei nicht so fies zu den Touristen.« Nicht zuletzt, weil sie die Einzigen waren, die mich wie einen normalen Menschen behandelten und nicht wie eine tickende Zeitbombe.
Wie um dies noch zu unterstreichen, tauchte hinter dem geheimnisvollen Fremden Mark auf, in seiner Briefträgeruniform und seiner Posttasche über der Schulter. Er eilte ins Restaurant Zum Trog , um dort die Tagespost abzuliefern und eine Tasse Kaffee zu trinken. Aus gutem Grund drückte sich Mark nicht mehr hier im Read it and weep herum. Sofort verspürte ich das vertraute Stechen des verletzten Stolzes, das ich nun immer empfand, wenn ich den Mann sah, mit dem ich beinahe ausgegangen wäre.
»Also, sei nett zu dem heißen Fremden«, sagte ich mir und zwang mich, wieder den Mann mit dem Porsche anzusehen. Zu meiner Enttäuschung hatte er bereits aufgehört, sich zu strecken. »Jetzt hast du das ganze Spektakel verpasst«, knurrte meine Libido. In Gedanken entschuldigte ich mich überschwänglich bei ihr und beobachtete von da an pflichtbewusst, wie er sich mit einem prüfenden Griff ans Gesäß vergewisserte, dass er sein Portemonnaie eingesteckt hatte, und sich mit einer Hand durch das kurze volle braune Haar strich.
»Hallo, du heißes Gerät«, sagte Grizzie und schnalzte
anerkennend mit der Zunge, als er zu ihrer unübersehbaren Freude direkt auf unseren Buchladen zuging.
Er schob die Tür auf, und gerade als unsere nervige kleine Glocke an der Tür uns sein Eintreten verkündete, trafen seine Augen auf meine. Ich zuckte zusammen, und das nicht nur, weil seine Mandelaugen atemberaubend waren, sondern auch, weil diese Augen in einer Mischung aus Wiedererkennen und Interesse zu strahlen begannen. Ich wusste, dass ich ihn nicht kannte, und eigentlich dürfte ein Mann von seinem Kaliber keinerlei Interesse an der völlig prosaischen Jane True zeigen.
Er trat auf den Ladentisch zu, und auch aus der Nähe betrachtet enttäuschte sein Gesicht nicht die Erwartungen, die seine Gestalt von weitem geweckt hatte. Er hatte hohe Wangenknochen, die sich nach unten zu einem schmalen, wohlgeformten Kinn hin verjüngten. Sein Mund war eher klein, aber seine Lippen voll, was ihm einen sehr sinnlichen Ausdruck verlieh. Als hätte er seine Lippen bereits gespitzt, um einen langsam vom Hals bis zum Bauchnabel hinunter zu küssen …
»Mann, Jane!«, tadelte ich mich selbst und versuchte, meine sich plötzlich im Aufruhr befindlichen Hormone wieder unter Kontrolle zu bringen. Meine Schmuddelschublade mochte ja gut gefüllt sein, doch offensichtlich vermisste ich echten Körperkontakt mehr, als mir bisher klar gewesen war. Aber diese Erkenntnis gab mir natürlich noch nicht das Recht, willkürlich irgendwelche Touristen zu vernaschen. »Und bevor hier jemand übermütig wird und sich falsche Hoffnungen macht: Dieser Typ hofft ganz bestimmt nicht drauf, mit einer durchgeknallten Tussi wie dir auszugehen«,
rief ich mich auf den Boden der Tatsachen zurück. »Außerdem will er sicher keine Freundin, für die schon ein Cocktailempfang so aufregend ist, dass es ihr die Sprache verschlägt.«
Kein Wunder, dass mich der schöne Mann bei meiner schmerzhaften Selbstgeißelung vollkommen überrumpelte, als er über den Ladentisch hinweg meine Hand nahm und mich zu sich
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