Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising
ebenfalls lachen. »Zumindest ist das Trog nur ein einfaches Restaurant«, erklärte ich ihm. »Wir haben hier in Rockabill auch eines, das als edel gilt, und das schimpft sich Mästerei .«
Ryu stöhnte auf. »Das ist ja schrecklich!«
Ich grinste. »Na ja, die Besitzer sind ziemlich schrecklich, also passt es eigentlich ganz gut.«
Wir waren fast in der Stadt angekommen, und ich fragte ihn, ob wir nun das Verdeck schließen konnten. Ohne zu zögern, befolgte er meine Bitte, und dann fuhren wir schweigend ins Zentrum von Rockabill.
Unsere Ankunft dort erregte sogar mit geschlossenem
Verdeck einiges Aufsehen bei den wenigen Leuten, die sich noch auf der Hauptstraße befanden. So einen teuren und unpraktischen Wagen sah man in Rockabill um diese Jahreszeit nur selten. Als wir in einer Parklücke direkt vor dem Trog gehalten hatten, kostete es mich einen Moment der Überwindung, bis ich es wagte, aus dem Wagen zu steigen. Alle Restaurantgäste spähten durch die Fenster zu uns herüber, und ich fühlte mich ziemlich unwohl bei dem Gedanken, dass sie gleich sehen würden, wer da in dieser schicken Karre vorgefahren war.
In der Zwischenzeit war Ryu schon um das Auto herumgegangen, öffnete mir die Beifahrertür und wollte mir aus dem niedrigen Wagen helfen. Ich nahm dankbar seine Hand, auch wenn er nicht wusste, warum ich seine Hilfe wirklich benötigte. Er schloss die Tür hinter mir, ohne meine Hand loszulassen. Dann sah er mich prüfend an und fragte: »Geht es dir gut?«
Ich bemühte mich um ein Lächeln, obwohl mir nicht entgangen war, dass sich einige Gäste vielsagende Blicke zuwarfen, nachdem sie erkannt hatten, dass ich die Beifahrerin in diesem geheimnisvollen Wagen war.
»Alles klar«, sagte ich. Doch Ryu gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden. Er hielt mich weiter an der Hand und sah mich fragend an. »Es ist nur so, ich bin hier in Rockabill nicht gerade … beliebt.« Ich wählte meine Worte sorgfältig aus. »Ich habe den Ruf … labil zu sein. Da ist früher einiges vorgefallen. Aber das ist Jahre her, und jetzt geht es mir gut. Nur die Leute hier können die Vergangenheit nicht ruhen lassen. Also errege ich nicht so gerne Aufmerksamkeit.« Ich starrte auf meine Fußspitzen. Meine unvermittelte
Lebensbeichte war mir peinlich, und ich fürchtete, dass Ryu nun wissen wollte, was passiert war, und dass sich sein Verhalten mir gegenüber ändern würde, sobald ich ihm die Wahrheit gesagt hatte.
Ryu hob mit seiner freien Hand mein Kinn an und zwang mich so, ihm in die Augen zu sehen. »Aber wir beide wissen, dass das alles Quatsch ist«, sagte er mit leiser, ernster Stimme. »Ich weiß, was dir damals passiert ist, Jane, und ich weiß auch, dass du nicht labil bist. Die Menschen fürchten dich bloß, weil sie spüren, dass du anders bist als sie. Und du bist auch anders. Für sie stinkst du nach Kraft und Andersartigkeit. Schau, unsereins weiß, wie es ist, unter Menschen zu leben, und eines kann ich dir sagen: Sie sind wie wilde Tiere. Wenn du sie deine Schwäche spüren lässt, dann nutzen sie das sofort aus, um dich zu verletzen.«
Ich dachte über Ryus Worte nach. Das Menschenmädchen in mir war irritiert darüber, dass er gesagt hatte, ich »stank«, aber diesen Teil von mir ignorierte ich. Zu hören, dass er um meine Vergangenheit wusste und es ihm egal war, haute mich fast um. Die Luft, die ich bis dahin angehalten hatte, schoss plötzlich aus mir heraus, und zu meinem Entsetzen spürte ich, dass mir Tränen in den Augen brannten. Ich zwinkerte heftig. Auf keinen Fall würde ich vor diesem Mann weinen, bloß weil er sich trotz meiner Geschichte dazu herabließ, mit mir zu sprechen.
Ryu trat noch einen Schritt auf mich zu und sah mir tief in die Augen. Seine körperliche Nähe überwältigte mich. Ich spürte seine warme Hand noch immer an meinem Kinn, und sein Gesicht war meinem viel zu nahe, um mich kaltzulassen. Mir fiel auf, dass seine Augen grüne
Sprenkel hatten. Eigentlich waren sie haselnussbraun. Ich wusste nicht, ob ich jemals zuvor richtig haselnussbraune Augen gesehen hatte …
Ryu ließ mein Kinn los und trat einen kleinen Schritt zurück. Dann strich er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Meine Haut prickelte bei der Berührung, aber seine Bewegung brach auch den Bann des vorangegangenen Moments. Ich atmete tief durch, und er bot mir seinen Arm an wie ein galanter Herr aus einer früheren Zeit.
»Darf ich bitten?«, fragte er mit einer leichten Verbeugung.
Ich nahm
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