Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising
seinen Arm und zitierte murmelnd Warren G, um mir für den Auftritt vor der Rockabiller Gesellschaft Mut zu machen: »Regulators, mount up.«
Wenn ich ins Trog marschiert wäre und aus vollem Hals die Nationalhymne geschmettert hätte, dann hätten Ryu und ich nicht mehr Aufmerksamkeit erregen können. Das komplette Restaurant starrte uns an, schweigend, während das Glöckchen an der Eingangstür hämisch seinen Willkommensgruß läutete.
Aber dann kam Louis Finch, der alte Schulfreund meines Vaters und der Besitzer des Trogs auf mich zugeeilt und umarmte mich zur Begrüßung. Früher war er einmal ein hochgeschossener, schmächtiger Teenager gewesen, der von allen Bohnenstange genannt wurde. Der Spitzname war ihm geblieben, obwohl er mittlerweile unglaublich fett geworden war. Außerdem war er unglaublich nett, und ich hatte noch immer den Teddy, den er und seine Frau Gracie mir geschickt hatten, als ich in der Klinik war.
Er ließ uns an einem Tisch in Amy Bellows Bereich Platz nehmen. Abgesehen von Grizzie und Tracy zählte ich Amy zu einer der wenigen Freundinnen, die ich hier in Rockabill hatte, und mein Vater und ich saßen immer an einem ihrer Tische, wenn wir ins Trog kamen. Louis reichte uns die Speisekarten und sah mich anerkennend an, als Ryu seinen Blick gerade auf seine Karte gerichtet hatte, was mich zum Lachen brachte. Ryu schaute auf, und ich war mir sicher, dass er unseren stummen Austausch verstand, was mich erneut rot anlaufen ließ. Wenn das so weiterging, würde knallrot noch zu meiner natürlichen Gesichtsfarbe werden.
»Also, was bestellst du normalerweise?«, erkundigte er sich und überflog die Speisekarte.
»Ich nehme eigentlich immer den Thunfischtoast.«
»Vorsicht, Jane«, sagte ich mir, »nicht, dass du ihn mit deinem vornehmen Gaumen noch verschreckst.«
»Ich esse gerne dunkles Fleisch«, sagte er beiläufig. »Ich nehme das Steak.« Dann sah er sich im Raum um. »Nettes Restaurant. Sehr gemütlich.«
»Ja«, sagte ich. »Das sollte es besser auch sein.« Ich beugte mich über den Tisch zu ihm und flüsterte verschwörerisch: »Louis und Gracie, die Besitzer - er ist der, der uns begrüßt hat -, haben ein kleines Vermögen ausgegeben für eine Innenarchitektin, die dem Laden ein Landgasthofflair verleihen sollte. Was die Dekorateurin dann auch gemacht hat. Allerdings sieht es jetzt genauso aus wie vorher, nur dass es mehr pfirsichfarben ist. Gracie behauptet zwar immer, die Kunst läge im Detail, aber außer ihr kann keiner einen Unterschied zu vorher erkennen.«
Ryu bellte sein seltsames Lachen, was Mrs. Patterson dazu veranlasste, ihn über ihre Muschelsuppe hinweg irritiert anzustarren, und mich dazu, über beide zu kichern.
Da trat Amy mit Block und Stift zu uns an den Tisch. Ihr spülwasserblondes Haar mit dem herausgewachsenen dunklen Ansatz war zu einer zerzausten Surferfrisur geschnitten, und ihre Klamotten passten eher zu einem Lagerfeuer am Strand von Kalifornien als in den nordöstlichen Winter. Sie hatte die schläfrigen Augen und das Dauergrinsen, die typisch waren für jemanden, der gerne und häufig Pot rauchte. Also war ich mehr als nur ein bisschen überrascht, als sich ihr Ausdruck, nachdem sie gesehen hatte, mit wem ich am Tisch saß, von freundlich und offen in distanziert und abweisend verwandelte.
»Jane.« Sie begrüßte mich mit einem Nicken, bevor sie sich an Ryu wandte. »Und wer sind Sie?«, fragte sie kühl. Von der sanftmütigen Kifferin war nichts mehr zu sehen. Amy knisterte plötzlich vor Energie und Boshaftigkeit. Was auch immer hier vor sich ging, es war mir zu hoch.
Ryu stellte sich höflich vor, was Amy ein wenig milder zu stimmen schien. Aber trotzdem wirkten die beiden noch immer wie zwei Hunde, die sich misstrauisch umkreisten. Falls sie jetzt auch noch anfingen, sich gegenseitig am Hintern zu beschnüffeln, würde ich das Weite suchen.
»Ist das mit Nell abgesprochen?«, fragte sie ihn, noch immer auf der Hut.
»Dieses gerissene kleine Biest«, schoss es mir durch den Kopf, als ich begriff, was hier vor sich ging. »Sie ist eine von ihnen … wenn es darum ging, ein Geheimnis für sich zu behalten, hatte sie sich definitiv eine Portion gebackenen
Käse verdient.« In meiner Welt war gebackener Käse so etwas wie die Goldmedaille.
»Natürlich«, erwiderte Ryu. »Nell weiß, dass ich hier bin. Ich ermittle im Mordfall Peter Jakes.«
Ich sah mich fassungslos um. Er hatte ziemlich laut gesprochen, und Amys untypische
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