Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising
können, oder? Es sieht sogar so aus, als gäbe es heute Abend noch ein Gewitter.« Er sah mich mit erwartungsfroh hochgezogener Augenbraue an. »Und ich wette, deine Selkie-Hälfte steht auf ein bisschen Sturm.«
Ich lachte und schluckte meine Enttäuschung hinunter. Er hatte Recht; es gab keinen Grund, warum wir unseren letzten gemeinsamen Abend nicht noch genießen sollten. Abgesehen davon hatte ich ja von Anfang an gewusst, dass es nur ein Abenteuer war, und außerdem hätte ich in meinem Leben sowieso keinen Platz für etwas Ernstes. »Und vielleicht bin ich von jetzt an etwas selbstbewusster«, sagte ich mir. »Vielleicht ist Ryu ja nur der Beginn eines ganz neuen Lebens für mich.«
Wir aßen wieder im Trog zu Abend, aber diesmal bemerkte ich die neugierigen Blicke der anderen Gäste kaum.
Zumindest Amy freute sich, uns zu sehen, und sie erkundigte sich, ob wir nachher noch ins Schweinestall gingen.
Als Ryu dies bejahte und mir zuzwinkerte, sagte sie, dass wir uns dann dort sehen würden.
Ich war froh, sie später dort zu treffen, und noch froher war ich, als wir vorm Stall ankamen und Stuarts Geländewagen nirgends zu sehen war. »Er spielt sich wahrscheinlich in einer anderen Bar auf und verhält sich dort wie ein Arschloch«, dachte ich. Ryu schien auch an Stuart gedacht zu haben, denn er betrat den Raum als Erster, schirmte mich ab und ließ seinen Blick erst aufmerksam über die anderen Gäste schweifen, bevor ich eintreten durfte.
Es war Freitagabend, aber noch ziemlich früh, also war die Hälfte des Stalls , in der sich die Bar befand, noch fast völlig leer. Sarah servierte gerade Essen, aber sie lächelte mir herzlich zu, genauso wie Marcus, als wir an die Bar traten. Wir bestellten etwas zu trinken: Rotwein für Ryu, der seinem Gesichtsausdruck zufolge, als er ihn probierte, offenbar nicht seinen Vorstellungen entsprach, und Whisky-Cola für mich. Wir stießen miteinander an, aber diesmal übernahm ich das Reden: »Auf deine Zeit in Rockabill. Ich, äh, fand es sehr schön mit dir«, stammelte ich etwas verlegen. Aber er sah so erfreut darüber aus, dass ich froh war, es gesagt zu haben.
Ich entschuldigte mich und ging zu den Gästetoiletten. Als ich wieder zurückkam, schlenderte Ryu gerade von der Jukebox herüber. Wir trafen uns auf halbem Weg zur Bar, wo er mich hochhob und herumwirbelte. Die Energie seiner Aura verursachte bei mir ein Kribbeln im ganzen Körper, und aus den Boxen ertönte Cheap Tricks Coverversion von »The Flame«.
»Schleimer«, murmelte ich und küsste ihn. Er schien
mich eine halbe Ewigkeit zu halten, bis unser Geknutsche so heftig wurde, dass es eigentlich auf den Index gehörte und ich mich losmachte.
»Du kannst mich wieder runterlassen«, sagte ich zu ihm.
»Ja, das könnte ich«, erwiderte er und biss mir spielerisch in die Brust, so dass ich leuchtende Blitze durch meinen Körper zucken fühlte.
» Ryu !«, wies ich ihn zurecht und sah mich verlegen um. Aber natürlich hatte niemand die öffentliche Demonstration unserer Zuneigung wahrgenommen. Langsam sollte ich mich wirklich an dieses Aura-Ding gewöhnen.
»Niemand kann uns sehen. Nicht einmal, wenn ich das mache«, sagte er und vergrub sein Gesicht in meinem Ausschnitt.
»Niemand außer Sarah und Marcus«, zischte ich und sah, wie das Paar sich bereits vielsagende Blicke zuwarf.
Ryu setzte mich ab und küsste mich noch einmal. »Du bist so sexy, wenn du dich wie ein Mensch benimmst«, brummte er.
»Und du bist einfach nur sexy«, dachte ich, nahm seine Hand und legte den Arm auf seine Schulter, um ihn mit Tanzen abzulenken.
»Erzähl mir, was es mit dieser Koboldin auf sich hat«, sagte ich, um mein Ablenkungsmanöver noch wirksamer zu machen.
Er biss an, legte nun auch seinen Arm um mich und fing an, mich sanft hin und her zu wiegen. »Gretchen Kirschner ist die Seniorpartnerin in der Kanzlei, für die Manx gearbeitet hat, und selbst für Koboldstandards ist sie eine echte Nervensäge. Aber sie ist gut. Und wenn sie im Spiel ist,
dann bedeutet es, dass es hier um eine richtig große Sache geht.« Sein Blick verfinsterte sich für einen Moment, und ich konnte sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete.
»Unsere Welt ist … ziemlich kompliziert«, erklärte er. »Einige der Wesen leben schon seit Jahrhunderten, also weiß man nie, wie weit die Intrigen reichen. Gretchens Kanzlei vertritt die ganz großen Fische. Sie verteidigen nur die mächtigsten Wesen unter uns in den allerwichtigsten Fällen. Warum
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