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Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising

Titel: Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Peeler
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wiederum wunderbar zu dem anstößigen Auftritt meiner Mutter passte, als sie zum ersten Mal in Rockabill auftauchte. Irgendein schlechter Drehbuchautor hätte sich meinen Selbstmordversuch nicht symbolträchtiger ausdenken können: Verlassene Tochter versucht Selbstmord zu begehen und imitiert dabei den skandalösen Auftritt ihrer Mutter in der Kleinstadt.«
    Inzwischen war ich ziemlich wütend, aber Ryu hörte mir einfach weiter schweigend zu.
    »An einen besonders schlimmen Tag in der psychiatrischen Klinik erinnere ich mich noch sehr gut. Ich hatte versucht, mich in der Toilette zu ertränken, worauf man mich wieder fixiert und mit Medikamenten ruhiggestellt hat. Als
ich aufwachte, saß mein Dad weinend an meinem Bett. Ich flüsterte: ›Erzähl es ihnen einfach.‹ Ich war es müde, dagegen anzukämpfen, und mein mit Barbituraten vollgepumptes Hirn dachte wohl, sie würden mich entlassen, wenn wir ihnen einfach sagten, dass ich bloß schwimmen war. Und dann könnte ich mich draußen in Frieden umbringen.
    Mein Dad drückte nur meine Hand, und ich wusste, dass es niemals gesagt würde. Ich glaube, wenn ich nicht festgebunden gewesen wäre, hätte ich ihn in diesem Moment geschlagen. Heute weiß ich natürlich, dass mein Vater nur mit mir in der Klapse gelandet wäre, wenn er die Wahrheit gesagt und erzählt hätte, dass seine verrückte Tochter gar nicht verrückt war, sondern einfach nur bei jedem Wetter im Atlantik schwimmen ging wie schon ihre Mutter. Aber ich habe eine ganze Weile gebraucht, meinem Vater sein Schweigen zu verzeihen. Und das bereue ich heute sehr.«
    Es ärgerte mich, dass ich schon wieder heulen musste, wenn ich daran dachte, wie sehr ich meinen Vater verletzt hatte. Er hatte nur das Beste für mich gewollt, und in einer solchen Situation konnte man sich gar nicht »richtig« verhalten. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass ich mich ganz sicher tatsächlich umgebracht hätte, wenn ich nicht in der Klinik gewesen wäre.
    »Und«, dachte ich bitter, »wenn ich mich tatsächlich umgebracht hätte, dann hätte ich all die tollen Sachen verpasst, die Rockabill für mich bereithielt, nachdem ich aus der Klapse entlassen wurde.«
    »Das muss schrecklich gewesen sein«, sagte Ryu und drückte mich fest an sich. »Ich kann mir nicht vorstellen,
in so einer Klinik eingesperrt zu sein. Besonders, wenn ich wüsste, dass ich gar nicht durchgeknallt bin.«
    Ich musste lachen. »Ach, das war nicht das Problem. Ich war ja durchgeknallt. Das war kein Witz mit der Toilette, und das war nur einer von sieben Selbstmordversuchen, die ich unternommen habe.« Ich hielt ihm meine vernarbten Handgelenke hin. »Die stammen nicht von Sportunfällen.«
    Ryus Augen blickten traurig drein, als er die Narben erst mit seinen Fingern und dann mit den Lippen berührte. »Wie hast du das bloß angestellt?«, fragte er schließlich. Meine Arme waren ziemlich vernarbt.
    »Mit einer Gabel. Aber zu dem Zeitpunkt bekam ich ziemlich starke Medikamente, also habe ich nichts gespürt.«
    Betroffen verzog er das Gesicht.
    »Und dann war da ja auch noch mein unsichtbarer Freund«, fuhr ich fort.
    »Was für ein Freund?«
    »Nachts kam immer ein geheimnisvoller Fremder und leistete mir Gesellschaft. Aber nicht irgendwie gruselig oder angsteinflößend«, fügte ich hastig hinzu, als ich seinen erschrockenen Gesichtsausdruck bemerkte. »Er kann nicht real gewesen sein. Er war weder ein Patient noch arbeitete er in der Klinik. Er erschien mir nur nachts, wenn meine Medikamente besonders hoch dosiert waren.« Ich lächelte, diese Erinnerungen waren auf eigenartige Weise positiv, trotz der furchtbaren Umstände.
    »Wirklich?«, sagte Ryu mit einem seltsamen Gesichtsausdruck. »Wie sah dieser Fremde denn aus?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Wie gesagt, ich war vollgepumpt mit Medikamenten. Ich weiß, er war
groß und ein Mann. Ich habe ihn nie richtig sehen können, so vollgedröhnt war ich. Immer wenn ich es versucht habe, wurde alles ganz verschwommen. Wahrscheinlich weil er gar nicht wirklich existierte«, erklärte ich Ryu.
    »Und was tat er, wenn er bei dir war?«
    »Ach, er hat einfach nur meine Hand gehalten und mir Geschichten erzählt. Die waren unglaublich. Ein bisschen wie Märchen, aber keine, die ich kannte. Ich weiß, das klingt alles ziemlich verrückt, weil dieser Typ bestimmt nur eine Art Nebenwirkung der Barbiturate war, aber glaub mir, er hat mich davor bewahrt, wirklich verrückt zu werden. Wenn er nicht

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