Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising
sowieso schon arg strapazierte Bett fallen, das bedrohlich quietschte. Und während der nächsten halben Stunde zeigte ich ihm, wie sehr ich mich darüber freute, dass er nun doch länger in Rockabill bleiben würde.
»Danke, dass du Frühstück gemacht hast«, sagte mein Vater und nahm sich noch eine Scheibe Vollkorntoast.
»Kein Problem.« Ich lächelte ihn an. Ich hatte dafür gesorgt, dass ich an diesem Morgen gegen neun Uhr zu Hause war. Als ich ging, schlief Ryu noch tief und fest. Ich hatte doch noch ein paar Stunden Schlaf bekommen, also
fühlte ich mich trotz der ausschweifenden Nacht einigermaßen fit. Als ich gegen acht Uhr aufgewacht war, hatte Ryu zwar noch wie ein Stein geschlafen, aber er hatte mir eine Nachricht hingelegt, dass er mich nach Sonnenuntergang abholen würde. Als ich ihn so im Schlaf betrachtet hatte, hatte ich wieder daran denken müssen, dass er kein Mensch war. Ich nannte das, was er gerade tat, zwar »schlafen«, aber wenn ich ihn berührte, reagierte er überhaupt nicht. Ich schüttelte ihn sanft, denn ich dachte, ich sollte mich wenigstens kurz von ihm verabschieden, aber es war, als habe er einen Knopf, mit dem er sich ausschaltete. Ich wusste, dass er sich auch tagsüber normal bewegen konnte. Wir hatten uns ja auch schon am Tag gesehen. Aber er hatte mir gesagt, dass Vampire dann nicht hundertprozentig bei Kräften waren, also mussten sie von Zeit zu Zeit, wenn die Sonne am Himmel stand, ruhen. Und, Junge, Junge, wenn sie mal ausruhten, dann aber richtig, dachte ich und stupste ihn zehnmal hintereinander ziemlich fest an die Stirn, nur um zu sehen, was passierte. Er zuckte nicht einmal mit der Wimper, und seinen Atem konnte ich nur hören, wenn ich meinen anhielt und mein Ohr direkt an seine Nase legte. Kein Wunder, dass sie »Untote« genannt wurden.
»Hast du für heute Abend schon Pläne?«, erkundigte sich mein Vater und riss mich damit aus meinen Gedanken.
»Ich habe einiges hier im Haus zu tun«, antwortete ich. »Und ich mache uns Abendessen. Später holt mich Ryu dann ab.«
»Schön, dass dein Freund so lange bleibt«, sagte mein Vater. »Schön zu sehen, dass du wieder mehr unternimmst.«
»Du bist doch nur froh, dass ich dir aus dem Weg bin«, zog ich ihn im Spaß auf.
»Ich meine das ernst, Jane. Ich bin glücklich, wenn du glücklich bist. Ich weiß, dass du dich für mich verantwortlich fühlst, aber es gefällt mir nicht, dass du wegen mir auf so vieles verzichtest. Deine Mutter und ich haben zusammen ein Kind bekommen, weil wir unsere Liebe mit jemandem teilen wollten und nicht, damit wir auf unsere alten Tage eine Krankenschwester haben.«
Ich schwieg und fühlte mich schuldig, denn seine Krankheit war nicht der einzige Grund, warum ich kaum ein Sozialleben hatte. Als wüsste er, was ich gerade dachte, fuhr mein Vater fort: »Ich weiß, dass es seit Jasons Tod nicht leicht für dich war, und ich weiß auch, dass bestimmte Gerüchte, die über diese Nacht kursieren, alles noch schwerer für dich gemacht haben. Aber wenn es auch sonst niemand glauben will, du und ich, wir wissen, dass Jasons Tod ein Unfall war. Ein tragischer Unfall, der niemals hätte passieren dürfen. Aber er ist nun mal geschehen, und du hast keine Schuld daran. Das solltest du dir endlich einmal klarmachen.«
Ich schob mein Rührei auf dem Teller hin und her. Was Ryu letzte Nacht gesagt hatte und was mein Vater nun sagte, war nett gemeint, aber es stimmte nicht. Denn Tatsache war nun einmal: Wenn ich Jason nur erzählt hätte, dass ich heimlich im Atlantik schwimmen ging, dann wäre er niemals umgekommen. Es hätte mich weniger als zehn Sekunden gekostet, diese Worte auszusprechen, aber ich hatte es nicht getan. Und mit dieser Schuld musste ich nun leben.
»Na ja«, schloss mein Vater seinen Vortrag ab, denn er kannte mein »Ich will nicht darüber reden«-Gesicht aus langjähriger Erfahrung. »Ich freue mich einfach nur, dass du einen … Freund hast und dass du ausgehst, wie es für eine junge Frau deines Alters normal ist. Das macht mich glücklich. Es wird Zeit, dass du nach vorne blickst.«
Damit hatte er Recht. Es war Zeit, dass ich mein Leben lebte, ganz gleich, wie sehr ich noch unter Jasons Tod litt. Also schenkte ich meinem Vater ein Lächeln, das sagen sollte, dass ich seine Ratschläge zu würdigen wusste, und ergriff die Gelegenheit beim Schopf, das Thema zu wechseln.
»Was willst du heute Abend essen, Dad? Ich hätte Lust auf Steak. Vielleicht mit Rahmspinat
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