Nachtwandler (German Edition)
von Heppstett ist einfach zu bekannt. Kaum einer wagt es, sich mit uns anzulegen, viel zu weit reicht der Einfluss meiner Familie, auch über die Stadtgrenzen hinaus.
Meine Blicke gleiten über die Männer und entdecken inmitten der Masse ein vertrautes Gesicht. Ich nicke ihm lächelnd zu. Er grinst, hebt eine Hand und tippt sie zum Gruß an die Stirn. Daniel. Außer meinen Eltern ist er der Einzige, der um die genaueren Umstände meines … Geheimnisses weiß. Er ist jemand, auf den ich mich jederzeit zu einhundert Prozent verlassen kann. Mein engster Vertrauter, mein Freund. Das war er schon, bevor sich mein Dasein von einer Sekunde auf die andere von Grund auf änderte. Nicht zum Schlechteren übrigens, denn ich liebe mein jetziges Leben, zumindest den Teil der sich nach Sonnenuntergang abspielt. Ich bin jetzt jemand, gutaussehend und begehrt. Vorher war ich lediglich der merkwürdige Spross einer Adelsfamilie, heute jedoch bin ich … heiß. Nicht meine Worte. Ich gebe nur das wieder, was mir schon mehrfach gesagt wurde.
Ich fühle eine leichte Berührung an meinem Rücken und wende mich überrascht um. Neben mir steht einer dieser kahlgeschorenen Steroid-Hengste, auf die Daniel so abfährt. Ich selbst finde solche Männer eher abstoßend. Dieses Exemplar hier überragt mich beinahe um Haupteslänge und lächelt schief auf mich herunter. Falls er durch diesen Gesichtsausdruck sexy wirken will, hat er sein Ziel verfehlt, denn auf mich wirkt er schlicht und ergreifend albern. Innerlich rolle ich genervt mit den Augen. Der Typ muss heute das erste Mal hier sein, sonst wüsste er nämlich, dass man sich nicht einfach ungefragt zu mir gesellt. Er lässt den Blick ungeniert über mein Äußeres gleiten und das Funkeln in seinen Augen zeigt mir, dass ihm gefällt, was er sieht.
„Hast du dich verlaufen?“, frage ich und hebe spöttisch eine Augenbraue.
„Nein“, erwidert er. „Ich kann doch so etwas Heißes wie dich nicht einfach alleine hier herumstehen lassen. Du fackelst ja noch den ganzen Club ab!“, schnurrt er.
„Oh Scheiße!“, pruste ich los. „Wo hast du denn diesen dämlichen Spruch her? Als Nächstes kommt vermutlich, dass du gerne deine …“ Ich blicke demonstrativ auf seinen Schritt und überlege kurz, „… dreizehn Zentimeter zum Löschen zur Verfügung stellen würdest, was?“
Das Lächeln gefriert auf seinem Gesicht. Sein Mund öffnet sich, schließt sich jedoch kurze Zeit später wieder, ohne dass er ein Wort über die Lippen gebracht hätte.
„Ist noch was?“, frage ich, immer noch lachend.
„Du nimmst den Mund ganz schön voll, Kleiner. Es wird vielleicht mal Zeit, dass jemand kommt und ihn dir ordentlich stopft. Danach bist du vielleicht in der Lage, dreizehn von einundzwanzig Zentimetern zu unterscheiden.“
Unbeeindruckt blicke ich ihn an. Sein Gesicht hat mittlerweile die Farbe einer sehr, sehr reifen Tomate angenommen.
„Mag sein, aber gewiss nicht du“, gebe ich zurück. Meine ganze Körpersprache signalisiert, dass er sich endlich verziehen soll.
„Was bist du denn für ein Affe? Jetzt tu mal nicht so, als ob der Schuppen hier dir gehören würde, klar?“ Er starrt mir grimmig entgegen und ballt die Hände zu Fäusten.
„Weißt du …“, erwidere ich gelassen, „… ich muss gar nicht so tun.“ Dann wende ich ihm den Rücken zu. Der Typ beginnt mich zu langweilen.
„Was soll das heißen?“, knurrt er.
„Streng mal dein Spatzenhirn an, Sportsfreund. Was könnte das wohl heißen?“ Langsam werde ich ungehalten, das ist auch meiner Stimme deutlich anzumerken.
Meine Augen treffen auf Daniels. Fragend hebt er beide Augenbrauen, dann löst er sich von seinem Tanzpartner und bahnt sich einen Weg durch die Männer hindurch zu mir. Daniel ist nicht nur mein engster Freund, sondern wir teilen uns auch die Geschäftsführung des Dorian. Zudem ist er der Einzige, der ohne Einladung meinen Stammplatz betreten darf.
„Huh, hast du seinen Hamster ermordet? Wenn er noch etwas mehr dampft hebt er ab“, bemerkt er trocken und sieht dem Muskeltypen hinterher, der mit zornig verzogenem Gesichtsausdruck den Ausgang anstrebt. „Ich schätze, du hast gerade einen Kunden vergrault“, fährt er fort.
„Wir werden es überleben.“ Schulterzuckend und mit einem Grinsen im Gesicht, wende ich mich Daniel zu.
„Betriebswirtschaftlich gesehen dennoch kontraproduktiv“, belehrt er mich, meint es jedoch nicht wirklich ernst, was mir ein amüsiertes Funkeln in seinen Augen
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