Nachtwandler (German Edition)
Seite nie eine Rolle gespielt“, wirft er ein.
„Bietest du dich mir etwa gerade an?“, frage ich ihn grinsend. Ich weiß ganz genau, dass es nicht so ist.
„Nein“, erwidert er wie vermutet lachend, dann wendet auch er sich wieder den Tanzenden zu.
Wie ich scannt er die Meute nach möglichen Opfern. Er scheint kurze Zeit später fündig geworden zu sein, denn er brummt einmal genüsslich und leckt sich über die Lippen. „Ich misch‘ mich mal wieder unters Volk“, sagt er kurz darauf und lässt mich alleine zurück. Nachdenklich sehe ich ihm hinterher.
Ich war wirklich zu keiner Zeit in ihn verliebt, und doch waren meine Worte vorhin ernst gemeint. Er ist der Einzige, bei dem ich es mir hätte vorstellen können. Vielleicht, weil wir uns so lange kennen und er, seit ich denken kann, der wichtigste Mensch in meinem Leben war und immer noch ist. Wir haben schon zusammen in die Windeln gemacht, im Sandkasten gespielt, sind gemeinsam auf Bäume geklettert und haben von dort aus ahnungslose Fußgänger mit reifen Zwetschgen beworfen. Ihm war egal, wer ich war und wie ich aussah, er mochte mich einfach meinetwegen und das hat sich bis heute nicht geändert. Ich beobachte, wie sich Daniel durch die Masse schlängelt und schließlich einen Schrank von einem Mann antanzt. Er dreht ihm den Rücken zu und wirft einen koketten Blick über die Schulter. Seine Hüften schwingen im Takt der Musik von einer Seite auf die andere. Der Hüne scheint sehr angetan zu sein, denn er greift nach Daniels Taille und zieht ihn näher zu sich heran. Kurze Zeit später verschwinden seine Pranken unter Daniels Shirt. Meinem Freund scheint das außerordentlich gut zu gefallen, denn er drückt den Rücken durch und räkelt sich den Berührungen entgegen. Es dauert nicht lange, bis sich die beiden in Richtung Darkroom davonmachen.
Grinsend sehe ich den beiden hinterher und wende danach meine Aufmerksamkeit wieder den Männern auf der Tanzfläche zu. Die meisten kenne ich, zumindest vom Sehen her. Mit einem Teil davon hatte ich sogar schon das Vergnügen, keiner von ihnen reizt mich allerdings so sehr, dass ich auf eine Wiederholung aus bin. Zwischen all den Tänzern taucht zwar hier und da ein unbekanntes Gesicht auf, aber keines entspricht auch nur ansatzweise meinem bevorzugten Typ. Ich mag meine Männer maskulin, mit ausdrucksstarkem Kinn, gerne auch unrasiert. Muskeln ja, aber eher wohl definiert als aufgepumpt. Zwar gefällt es mir, wenn mein Sex-Partner sehr genau weiß, was er will und Initiative zeigt, letztendlich ist mein Hintern aber immer noch jungfräulich und ich habe nicht vor, daran in absehbarer Zeit etwas zu ändern.
Ich löse mich vom Geländer und gehe die Metallstufen hinab, um mich unters Volk zu mischen. Nach etwas Geplänkel hier und ein wenig Smalltalk da, steuere ich die Bar an. Rolf, einer meiner Barkeeper, sieht mich kommen und lächelt mir entgegen. Er kassiert einen Kunden ab, greift nach einem Longdrinkglas, füllt es mit Cola und gibt einen Schuss Whisky sowie einen Eiswürfel hinzu. Anschließend stellt er es mir vor die Nase. „Zum Wohl“, meint er augenzwinkernd.
„Danke. Wie läuft’s?“, erkundige ich mich und nehme einen großzügigen Schluck.
Er zuckt mit den Achseln. „Ganz okay.“ Rolf war einer der Ersten, die für mich gearbeitet haben, als ich damals das Dorian eröffnet habe. Er hat den Betrieb hier unten gut im Griff. Einige kommen sogar nur seinetwegen her. Er ist gutaussehend, mit seinem blonden Militärschnitt, der natürlichen Sonnenbräune und diesen stechend grauen Augen. Mitunter können die sogar mir unter die Haut gehen, insbesondere wenn er mich anstarrt und mir damit ein Gefühl vermittelt, als wäre er in der Lage mich zu röntgen. In solchen Momenten bin ich davon überzeugt, dass kein Geheimnis der Welt sicher vor ihm ist. Sein Körper ist sehr sexy. Schlank, aber nicht schlaksig, ein paar Zentimeter kleiner als mein eigener und mit einem Hintern zum Anbeißen. Wir hatten schon sehr viel Spaß zusammen, allerdings habe ich manchmal das Gefühl, dass es für ihn mehr ist als nur ein gelegentlicher Fick. Wir passen im Bett gut zusammen, ja … ich schätze ihn auch - sowohl als Mensch als auch als Mitarbeiter, aber mehr ist da nicht. Eine Beziehung käme für mich ohnehin nicht infrage, egal mit wem.
Ein Typ drängt sich links an mir vorbei an die Theke und ich verschütte einige Tropfen meines Getränks. Verärgert drehe ich mich zu ihm um und öffne bereits den
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