Nachtwelt (German Edition)
auf sie.
Mimi musste sich zwingen, damit sie nicht anfing zu rennen, so sehr machten ihr diese Menschen Angst. Sie erinnerten sie an die schlechten Zombiefilme der Achtziger Jahre. Bestimmt würden sie jeden Moment aufstehen und anfangen sie mit ihren ruckartigen Bewegungen und ausgestreckten Armen zu verfolgen.
Es ist noch früh an diesem Freitagmorgen. Mimi fühlt sich total elend. Sie hat nur zwei Toast gegessen. Dafür trinkt sie gerade den dritten Pott Kaffee und raucht die vierte Zigarette. Aus ihrem Tag des Rauchens ist die Woche des Rauchens geworden.
Weil sie es nicht mehr in ihrem Bett ausgehalten hat, ist sie bereits um 5:00 Uhr aufgestanden. In zwei Stunden will Petra zu ihr kommen. Seit dem letzten Wochenende haben die Zwei sich nicht mehr gesehen, aber fast täglich miteinander telefoniert. Jedes Mal, wenn Petra Mimi fragte, ob es ihr gut geht, versicherte diese ihr, dass alles super sei. Bevor Petra heute mit Ben zu deren Hochzeitslocation aufbricht, will Petra noch bei Mimi vorbei schauen. Sie macht sich Sorgen.
Als ihre Freundin plötzlich neben der Steinbank steht, zuckt Mimi zusammen. Sie hat keine Ahnung, was sie die letzten zwei Stunden gemacht hat. Ist sie etwa eingeschlafen?! Dagegen sprechen der volle Aschenbecher und die leere Thermoskanne Kaffee. Mimi scheint ihre Umwelt nicht mehr richtig wahrzunehmen. Petra nimmt sie in die Arme und sagt: „Mimi, du siehst furchtbar aus.“
„Wenn es nur das wäre, aber ich fühle mich genauso, wie ich aussehe. Es geht mir gar nicht gut.“
„Dann sag’ mir doch endlich, was los ist. Ich merke schon seit dem letzten Wochenende, dass etwas nicht stimmt.“
Mimi hält es nicht länger aus und fängt an zu erzählen. Es ist ihr egal, ob Petra sie für verrückt hält. Sie muss sich ihr anvertrauen.
Sie erzählt von ihrem Traum, von den Feuern und den riesigen Hunden. Sie erzählt von dem Mann, der ihr Herz wild zum Schlagen brachte und dass Petra, Michi und Andy auch an den Feuern saßen, als sie die fremde Welt besuchte.
Sie berichtet von den Tagen nach dem Traum und dass sie das Verhalten ihrer Freundin und das von Michi und Andy seitdem merkwürdig findet.
Mimi erzählt von Michis Kette und dem Typen am Strand, der nicht hätte da sein dürfen. Sie lässt nicht ein winziges Detail des Traumes aus. Nur von der Zombiegruppe in der Stadt erzählt sie nichts. Als sie fertig ist schaut sie Petra an und die sagt - n i c h t s. Mimi denkt, dass ihre Verwirrtheit selbst für die beste Freundin zuviel ist.
„Was sagst du?“, will Mimi wissen. „Glaubst du ich drehe durch?“
„Warte Mimi, ich muss überlegen. Es ist total wichtig jetzt nichts Falsches zu sagen.“ Komische Antwort. Während Petra überlegt, raucht Mimi schon wieder. Als sie die Zigarette ausdrückt, sagt Petra: „Also, erst einmal glaube ich nicht, dass du durchdrehst. Vielleicht bist du der Wahrheit sogar ein Stück näher als andere Menschen. Du hast gesagt, dass du dich in diesem Traum so wohl gefühlt hast. Mimi, nur darauf kommt es an. Zweifle weniger und hab’ keine Angst. Kämpfe, und lass’ deinen Traum Wirklichkeit werden. Hör auf, dich gegen etwas, wonach du dich so sehr sehnst, zu wehren. Träume deinen Traum. Niemandem wird es schaden und dich wird es glücklich machen. Und für Michis Kette und den Typen am Strand gibt es bestimmt eine plausible Erklärung.“
Nun ist es Mimi die lange nichts sagt. Große, philosophische Worte. Sie hofft, dass sie alles verstanden hat. Petra reißt sie aus ihren Gedanken, als sie sagt: „Ich muss los. Sonst komm’ ich noch zu spät, zu meiner eigenen Hochzeit.“
Petra und Mimi gehen durch das lila Meer der Krokusse. Vor dem Haupttor drückt Mimi Petra: „Vielen Dank. Wahrscheinlich hast du Recht. Ich muss es einfach mal laufen lassen.“
Petra steigt in ihren Wagen und lässt das Fenster runter. Mimi verabschiedet ihre Freundin: „Fahr’ vorsichtig und grüß’ Ben von mir. Wir sehen uns.“
„Vielleicht eher als du denkst“, erwidert Petra.
Zurück in ihrem Haus leert Mimi als erstes den übervollen Aschenbecher aus und räumt dann das Frühstückgeschirr in die Küche.
Im Schlafzimmer legt sie ihre Sachen für den morgigen Tag auf das Bett. Es ist nicht viel, was sie in ihrem kleinen Rucksack verstauen muss. Das Kleid für die Hochzeit hängt bereits über dem Treppengeländer. Nach der Trauung und dem Hochzeitsessen wird sie, wie die anderen Gäste, zurück nach Hause fahren.
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