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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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bedeckte ein flatterndes Lendentuch, der vorgeschobene Oberschenkel oder die Hand die Stelle der Wahrheit. Und für sekundäre Geschlechtsmerkmale, wie Brüste oder Brusthaare, waren die Wesen noch entschieden zu jung.
    – Viel Spaß, sagte Wildgruber, klopfte mir auf die Schulter und machte sich davon.
    Damit hatte er mir eine schwere Bürde aufgeladen. Meine verstorbene Mutter gehörte der gutkatholischen Generation an, die altes Brot nicht wegwarf, sondern verbrannte, weil es als biblisch verbrieftes Grundnahrungsmittel auch irgendwie heilig war. Ihre Erziehung war insoweit auf mich gekommen, als ich massive Hemmungen gegenüber religiösen Symbolen und Kultgegenständen hatte. Ich brachte es nicht über mich, das Engelsgeschwader in den Gipsstaub zu verwandeln, aus dem es gekommen war, auch wenn mein Ladensortiment mit den Figuren ins leicht Bigotte abrutschte.
    Den Rest allerdings machte ich umso gründlicher klein und entsorgte ihn auf dem Wertstoffhof.
    35
    Emma hatte ich nun schon einige Tag vertröstet. Ich rief sie an. Ihre spitzen Bemerkungen meines Verhaltens wegen ließ ich an mir abperlen. Mir war klar, dass es schon einer aufwendigeren Aktion bedurfte, um sie nicht komplett einschnappen zu lassen. Ich sagte, ich würde groß aufkochen, und lud sie zu einem nachgeholten Fischessen ein.
    Noch am selben Abend besuchte sie mich. Wir nahmen einen Aperitif.
    – Stan und du, habt ihr euch nun ausgesprochen?, fragte sie. Ich hatte mir vorgenommen, sie nur im äußersten Notfall anzulügen.
    – Ich für meinen Teil bin alles losgeworden, was ich loswerden musste. Aber Stan hat da nicht mitgezogen.
    Sie verdrehte die Augen gen Himmel.
    – Die Mysterien einer Männerfreundschaft werde ich nie ergründen.
    Aus der Küche drang ein unguter Duft. Bei allem Respekt vor dem Aufwand, den ich getrieben hatte; es roch einfach nur säuerlich nach schon etwas überständigem Fisch nature. Dabei versprach das Rezept, das ich gewählt hatte, Stockfisch nach Art der Mönche von Alcántara. Die gewässerten und gebratenen Fischstücke wurden auf ein Kartoffel-Spinat-Bett gelegt und mit einer Öl-Mandel-Knoblauch-Creme zugedeckt. Ich hatte schon beim Wässern dieses Drachenflügels kein gutes Gefühl gehabt. Was ich da beim Wasserwechsel in den Ausguss kippte, stieg mir so pökelig und tranig wie Fischmehl in die Nase. Als ich den Auflauf im Rohr begutachtete, stellte ich fest, dass der Spinat zu suppen begonnen hatte und wie Entengrütze oben schwamm. Auch die Creme war ausgeflockt.
    Ich wollte dem Teil noch eine Viertelstunde und damit eine letzte Chance geben. In dieser Zeit versuchte ich Emma in kurzen, klaren Worten zu erzählen, wie ich die Tage seit unserem Kabarettbesuch verbracht hatte.
    – Wieso erzählst du mir erst jetzt davon?
    Zum Glück für mich klang ihre Stimme besorgt.
    – Weil ich das Gefühl hatte, meine Katastrophen alleine ausbaden zu müssen. Ich wollte dich da nicht mit hineinziehen.
    – Auf dergleichen sollte man sich gar nicht erst einlassen.
    – Aber Wolfertshofer fühlte sich bedroht und hat mich um Hilfe gebeten. Leider konnte ich ihn nicht retten. Das ist der Punkt!
    – Warst du dabei, als sie ihn umgebracht haben?
    – Ja und nein. Der Täter hat mich niedergeschlagen. Ich lag bewusstlos in der Wohnung, als er umkam.
    – Und die Polizei?
    – Hat festgestellt, dass es in der Wohnung von Spuren nur so wimmelt. Auch von mir. Aber dass ich Wolfertshofer nicht angefasst habe, konnten sie erhärten.
    Emma seufzte. Das klang genau so wie Dieselhofers Stöhnen, das sich seiner Brust entrungen hatte, als ich ihm vorgeführt wurde: Auf welchen Wegen, Gossec? So hätte ich auch gern mal gestöhnt! Dabei blieb mir das Wirken der Schicksalsmächte ein ebenso großes Rätsel, was mir aber nicht weiterhalf, weil es doch immer um mich ging. Ich stand stets genau da, wo der Blitz einschlug. Wenn einer draußen im Hasenbergl Streit bekam, sich in seinem Mörderzorn einen Schlagring überzog und irgendwohin losfuhr, um irgendeinen, der ihm irgendwie auf den Senkel gehen würde, fertigzumachen, dann erging der Ruf des Schicksals auf geheimnisvolle Weise an mich. Ich war derjenige, der genau zum rechten Zeitpunkt in der U-Bahn stand, und war derjenige von zwanzig anderen, der so provozierend schaute, dass der Schläger sofort zuhauen musste. Diese Rolle suchte man sich doch nicht selbst aus.
    – Ich will wissen, was dir zustößt. Oder vertraust du mir nicht mehr?
    – Bei Gewitter sollte man sich nie

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