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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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unter einen Baum stellen, verstehst du? Dem Blitz ist das egal, was sonst noch zu Bruch geht. Wer darunter oder daneben steht, kriegt auch was ab.
    – Und wie geht es nun weiter?
    – Verantwortlich fühle ich mich immer noch. Der Täter muss gefasst werden. Bis dahin bin ich nicht aus der Schusslinie. Gib mir ein bisschen Zeit, bis wir sicher sein können, dass nichts auf dich durchschlägt.
    – Na gut.
    Eine kokelige Geruchswand schob sich aus der Küche heran. Das hatten sich die Mönche von Alcántara anders vorgestellt. Ich versuchte zu retten, was noch zu retten war, und richtete die besten Stücke auf zwei Tellern an. Emma nahm einen Happen vom Stockfisch und wiegte den Kopf. Ich beobachtete sie genau. Das Gericht war so missraten, dass nicht einmal dem freundlichsten Menschen ein Lob über die Lippen schlüpfen konnte. Um das rückstandlos hinunterzuwürgen und verdauen zu können, hätte man zwei Flaschen eiskalten, mit Knoblauch gewürzten Wodka gebraucht. Ich zog ihr den Teller weg.
    – Lass gut sein! Du musst nichts sagen, ich weiß es auch so: Das Essen ist eine Katastrophe.
    Emma nickte und lachte.
    Man sollte schlechte Erfahrungen nie über das nötige Maß hinaus verlängern. Ich kippte den Inhalt der Teller in die leicht geschwärzte Reine zurück und schmiss das Ding kurzerhand draußen in die Tonne.
    – Wir gehen essen, ich lade dich ein. Was möchtest du?
    – Zum Inder.
    Damit waren, für diesen Abend zumindest, alle Probleme gelöst.
    36
    Ziemlich gehemmt stand ich anderntags in der Küche, um mir nach dem kulinarischen Debakel des Vorabends einen Mittagsimbiss zu bereiten. Mit einer Handvoll Nudeln und einer Fertigsoße konnte man nichts falsch machen. Ich hatte noch ein Gläschen Arrabiata im Haus, das für den Orientierung suchenden Hobbykoch mit einem Bömbchensymbol auf dem Etikett ausgestattet war. Für den amerikanischen Markt war die Warnung Caution – Extra Hot! angefügt. Pudel, empfindliche Gesichtshaut und weiße Unterwäsche durften mit dieser Soße nicht in Berührung gebracht werden.
    Trotz des schönen Abends vom Vortag fühlte ich mich unwohl. Die Rechnung des gestrigen Abends zierten so viele Biere, dass der Beleg schon aus Gründen der Selbstachtung für das Finanzamt nicht zu gebrauchen war. Auf meinem Kopf lastete ein Gewicht, als hätte ich darauf ein Bügeleisen zu balancieren. Offenbar vertrug ich ein solches Quantum nicht mehr. Ob das nun ein gutes Zeichen war, weil sich der Körper regeneriert und neu sensibilisiert hatte, oder ein verdammt schlechtes, weil die Leber schon so hinüber war, dass nichts mehr ging – darüber konnte man nur ein Orakel werfen. Ich legte den Kochlöffel beiseite und stützte mich an der Spüle ab. Dann trank ich ein Glas Wasser.
    Man wurde in seinen Empfindlichkeiten wunderlich. Oder war da jemand? Plötzlich wurde das Bedürfnis überstark, mich zu vergewissern, ob mein Laden zugesperrt war. Ich nahm den Topf vom Herd und tastete in meiner Hosentasche nach dem Schlüssel. Als ich ihn herauszog, fiel er zu Boden. Ich bückte mich, um ihn aufzuheben. Dabei meinte ich einen Moment lang helle Schuhe hinter dem Kirschholzschrank im Nebenraum bemerkt zu haben.
    Panik stieg in mir hoch. Zugleich schämte ich mich, denn feige war ich noch nie gewesen. Aber wie auch das Vieh durch einen Geruch, einen veränderten Luftdruck oder was auch immer etwas Ungutes heraufziehen spürt, so ging es mir jetzt. Oder war ich verrückt? Wenn einzelgängerische Pegelsäufer wie ich plötzlich wieder an ihren Stoff gekommen waren, passierten die wunderlichsten Dinge. Ich beschloss, meine Abstinenz nun wieder konsequenter durchzuhalten.
    In dem kleinen Leitfaden für den Projektmanager, den ich neulich in meiner Bücherkiste gefunden und durchgeblättert hatte, war als dritte Kardinaltugend die Fähigkeit zum Reality-Check aufgeführt. Etwas Besseres fiel mir nicht ein, also folgte ich diesem Fingerzeig.
    Ganz langsam ging ich zur Ladentür. Bei alten Schlössern wie diesem sah man, dass es nicht zugesperrt war. Ich hätte jedoch schwören mögen, dass ich vorhin zugeschlossen hatte. Geschäftigkeit vorgebend, fummelte ich am Rollo herum und öffnete dann die Tür, als wollte ich nur ein wenig frische Luft hereinlassen. Da hörte ich das Knarren einer Holzbohle.
    Meinen Laden kannte ich auswendig, dieses Geräusch konnte nur von der Schwelle zum Gang herrühren. Gleich neben dem Eingang stand eine Schale mit Glasmurmeln. Ich griff mir eine, drehte mich und warf

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