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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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okay?
    Ich nickte. Worauf er abzielte, erschloss sich mir nicht, aber ich dachte, es könne ihn nur lockerer machen, wenn er ein wenig mehr ans Reden käme.
    – Also, wir fangen mit dem Zug der Mönche an.
    Er machte eine ausholende Bewegung, und ich verstand sofort: von ganz weit weg nach ganz nah her.
    – Der Einfachheit halber lassen wir sie direkt aus Kalabrien, aus Paola, losmarschieren, sonst denken die Leute, der Orden heißt wie die Brauerei, wo doch die Brauerei nach dem Orden benannt ist.
    Er fischte sich noch eine Weißwurst aus der Schüssel.
    – Der Haufen rückt in München an und baut ein Kloster. So, das musst du dir jetzt einmal vorstellen: Du stammst aus dem südlichsten Italien, da ist es schön warm, Obst, Gemüse – da unten wächst ja genug. In München ist es scheißkalt, da kommst du als Südländer kaum über den Winter. Und als Paulanermönch kriegst du ja nichts auf den Tisch: kein Fleisch, kein Fett, nichts Nahrhaftes, was dir ein bisschen Speck auf die Rippen bringen würde. Praktisch alles ist verboten, und dauernd musst du fasten.
    Um seine Erzählung nicht zu konterkarieren, biss er nur ein kleines Stück Breze ab.
    – Dann hast du es geschafft, der Winter ist vorbei, das Frühjahr beginnt. Jetzt wird alles gut, denkst du? Irrtum! Am zweiten April geht es erst richtig los, Todestag des heiligen Franz von Paola, da legen die eine extrascharfe Fastenzeit ein.
    Er fuchtelte mit seinem Besteck herum.
    – Im Süden mag so etwas ja gehen, in unseren Breiten aber nicht. Und da greift jetzt die große kulturelle Kraft des Katholizismus, wenn du verstehst, was ich meine?
    Ich schüttelte den Kopf.
    – Innerhalb von zwei Jahren brauen die ihr eigenes Starkbier. Doppelbock. Wenn wir dich nach Italien schicken würden . . .
    Er deutete mit dem Messer auf mich.
    – . . . dann würdest du innerhalb von zwei Jahren keinen eigenen Wein zustande bringen. In ganz München konnte das damals niemand. Der Doppelbock, den sie unten im Hofbräuhaus ausgeschenkt haben, der kam aus Einbeck. Aber die Brüder schafften es und brauten ein extradickes, extrastarkes Bier, um sich über diese Spezialfastenzeit hinwegzuretten.
    Das Ganze begann nun doch etwas auszuufern, so genau hatte ich das alles nicht wissen wollen. Er gab mir aber keine Gelegenheit einzugreifen. Während ich dasaß und nicht zu essen wagte, um ihn nicht mit vollem Mund anreden zu müssen, schöpfte er Wurst um Wurst ab. Dass er bei seinem Redefluss auch noch reichlich in sich hineinschaufelte, schien eine vielfach geübte Technik von ihm zu sein.
    – Natürlich wissen wir nicht, wie viel sie einem einzelnen Mönch genau ausgeschenkt haben. Das schwankt zwischen fünf und fünfzehn Liter.
    Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
    – Ist aber scheißegal. Lass es jetzt Minimum fünf Liter sein! Fünf Liter Doppelbock auf nüchternen Magen! Ja, Herrgott noch mal, da hast du doch einen solchen Fetzen Rausch, dass du Himmel und Hölle nicht mehr unterscheiden magst. Und das literst du dir jeden Tag ein. Fastenzeit – danke schön! Das ist die kulturelle Kraft. . .
    Er blickte vom Teller auf und verstand, dass ich nichts verstand. Er beugte sich vor und dirigierte seine Worte mit dem Messer in der Rechten.
    – Neulich war ich ganz oben, nicht weit von der Nordsee weg. Sonntagmorgen, alles menschenleer, und ich gehe spazieren. Eine schnurgerade Straße. Hinten sehe ich einen älteren Mann stehen. Rührt sich nicht vom Fleck. Was ist das Problem? Die Fußgängerampel ist rot. Und grün wird sie nicht, falsch geschaltet, kaputt – was weiß ich! Unsereinem ist das wurscht, als anständig katholischer Mensch gehst du da rüber, weil dich erstens keiner erwischt und du zweitens beichten kannst. Der Protestant mit seiner Innenlenkung ist da aufgeschmissen, der steht übermorgen noch da. Dem hilft niemand, am wenigstens er sich selbst!
    Mir wurde es jetzt zu bunt. Ich schnappte mir die letzte Wurst, die noch im Wasser schwamm. Mit dem Blick eines zu Unrecht Geprellten schaut Brummer ihr hinterher.
    – Wenn die Paulaner jetzt Protestanten gewesen wären, dann hätten die erst mal darüber nachgedacht, wie sie den Sinn ihrer Regel erfüllen können. Nie im Leben wäre da Braukunst entstanden. Aber der Katholik schaut eben nur auf den Buchstaben, und wenn da steht: Flüssiges bricht das Fasten nicht, dann hast du einen Freibrief und ein gutes Gewissen, obwohl du dir Tag für Tag die Hucke vollsäufst. Den schönen, allseits bekömmlichen

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