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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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gab mir den Tipp, einen Tee zu kochen und mich anschließend ins Bett zu legen. Ich war mir nicht sicher, ob er bedacht hatte, dass es erst neun Uhr war, gehorchte aber. Tatsächlich schlief ich gleich ein; allerdings war ich um zwei Uhr glockenwach, und zwar so gründlich, dass diese fortgesetzten Eskimorollen auf Matratze mit Plumeau jeden Sinn verloren hatten.
    Ich stand wieder auf und lief wie ferngesteuert durch meinen Laden, bis ich mir einen alten Jahrgang von Männermagazinen aus der Kiste ins Bett holte. Der Anblick dieser gut gebauten Damen, die inzwischen als wohlsituierte Großmütter statt Leoslips weiße Schürzen trugen, um Apple Pie zu backen, und auf deren Abbildern noch echte Bäuche statt Photoshop zu erkennen waren, machte mich auch nicht heiterer. Ihr Leben war bestimmt einfacher als meins. Eine jede von ihnen hatte wahrscheinlich einen superpatenten Mann, der sich die Hände wusch, wenn er vom Heimwerken aus der Garage kam, um dankbar und rundherum glücklich sein Mittagssteak zu verzehren.
    45
    In den frühen Morgenstunden öffnete ich schließlich das Gatter, um meiner inneren Wildsau, die mit aller Macht nach draußen drängte, endlich freien Lauf zu lassen. Sie hatte einen richtig klugen Plan ziseliert: Ich solle ganz einfach bei nächster Gelegenheit nach Freimann in das Büro von Stans Hallenimperium fahren und ihn verprügeln. Diese dürre Kurzfassung der mir eingeflüsterten Unternehmung konnte die bildkräftigen Details nicht hinlänglich wiedergeben, mit der sich die Ausführung in meiner Vorstellung rasch anreicherte. Der Director’s Cut würde abendfüllende Dimensionen annehmen.
    Da hatte man sich stundenlang mit skrupulösen und ätzenden Gedanken herumgequält, die einer Wildsau nicht mal ein Arschrunzeln wert waren. Konsequenzen wurden fällig: Gutmütigkeiten und Vergünstigungen, mit denen ich bislang diese Scheißwelt verwöhnt hatte, wurden nun aufgekündigt. Ich würde ihr künftig nur noch mit dem Dolch zwischen den Zähnen gegenübertreten. Wer glaubte, einen Gossec könne man zum Narren und Hampelmann machen, hatte sich geschnitten. Natürlich konnte sich jeder vernünftige Mensch ausmalen, dass schon bald eine Weltdelegation von älteren Frauen und Männern vorsprechen würde, die wehklagend ihre Kleider zerrissen, um die Aufgabe meiner harten Haltung zu erbitten. Aber ich würde ihnen nur stumm die Tür weisen.
    Wirr im Kopf von solchen Einflüsterungen und angeknockt von den nächtlichen Schauspielen, stand ich morgens am Herd, um mir einen Kaffee zu machen. Schluckweise trank ich das heiße Gebräu und rauchte eine Zigarette. Durch das Fenster drang das erste Licht des frühen Tages. Stocknüchtern wie ich war, ließen sich nun auch die Vorhänge in meinem Oberstübchen wieder aufziehen. Ich schämte mich. Emma hatte mir gar nichts getan. Es ging um Stan. Mein ehemals bester Freund, mein Widersacher. Ich hatte ihn nie vollständig aus meinem Leben verdrängen können. Jetzt wurde seine Gegenwart so peinigend, als säße ich auf einem Nagel.
    Draußen klopfte jemand an die Scheibe. Julius stand vor dem Laden, er hielt eine Bäckertüte hoch. Wahrscheinlich Nusshörnchen. Ich ließ ihn herein.
    – Alles in Ordnung?, fragte Julius.
    Offenbar wirkte ich etwas retardiert. Ich zuckte die Achseln.
    – Hast du heute früh Radio gehört?, erkundigte er sich vorsichtig.
    Ich schüttelte den Kopf.
    – Du hast mir doch neulich von Stan erzählt. . .
    – Jetzt fängst du auch noch damit an!
    Julius zog eine Schnute.
    – Erzähl schon, sagte ich.
    – Über diese Hallengeschichte war heute ein Beitrag zu hören.
    – Und?
    – Die Bürgeninitiative hat jetzt offenbar einen Investor mit dem nötigen Geld aufgetrieben.
    – Meinethalben.
    – Sei doch nicht so empfindlich. Ich dachte, es interessiert dich.
    Anschließend gründelten wir noch in gut gemeinten Belanglosigkeiten herum, fanden aber kein Thema. Bis Julius in seinem seelsorgerischen Antrieb aufs Ganze ging.
    – Schon mal was von Seinsverlassenheit gehört?
    Ich schüttelte den Kopf. Schon allein der Ausdruck machte einen noch einsamer, als man es ohnehin schon war. Julius spielte mit seinem Handy.
    – Scheinbar steht uns die ganze Welt zur Verfügung. Auf Knopfdruck. Von Aal bis Zunzendorf. Man muss nur die richtige Nummer wählen.
    Er beugte sich vor.
    – Nur einen bekommst du nie an den Apparat, und dieses Gespräch wäre das wichtigste.
    Er griff sich mit der Rechten an die Stirn und verharrte in

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