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Nackt in der Zwangsjacke

Nackt in der Zwangsjacke

Titel: Nackt in der Zwangsjacke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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vergewaltigt und sich dann aus dem Fenster
gestürzt. Es wundert mich nur, daß Dr. Merrill Sie nicht vor ihm gewarnt hat .«
    »Das wäre jedenfalls mal eine
Abwechslung«, sagte sie leichthin. »Also: geradeaus, dritte Tür links, und
passen Sie auf, daß Sie unterwegs nicht auf die weißen Mäuse treten, Mr. Holman .«
    »Verbindlichsten Dank«, nickte
ich.
    Ich ging den Korridor hinunter,
fand die dritte Tür links und klopfte. Eine Stimme bat mich herein, und ich
gehorchte. Das Büro war geräumig, aber sparsam möbliert und hatte Balkonfenster
zum Garten, wo geschorene Büsche auf makellosem Rasen Wache hielten.
    Dr. Merrill war etwa vierzig
Jahre alt und verströmte berufsmäßige Vertrauenswürdigkeit. Sein
hochgewachsener, athletisch gebauter Körper steckte in einem dunklen, diskret
gemusterten Anzug. Sein dichtes schwarzes Haar schimmerte an den Schläfen in
gepflegtem Grau, und die dunkelbraunen Augen flossen vor Verständnis und
Mitgefühl fast über. Ich verabscheute ihn auf Anhieb.
    »Mr. Holman!« Eine volle
Baritonstimme. »Amanda Waring hat mich schon angerufen und mir von Ihnen
erzählt .« Ein fester Händedruck, dann ließ er sich in
seinen Sessel zurücksinken. »Bitte nehmen Sie Platz .«
    »Danke .« Ich ließ mich auf einem steiflehnigen Besucherstuhl
nieder.
    »Wie ich höre, sind Sie so eine
Art Privatdetektiv ?« Er bemühte sich nicht, die
Herablassung in seinem Ton zu unterdrücken.
    »Stimmt«, nickte ich. »Und Sie
sind wohl so eine Art Medizinmann, habe ich gehört ?«
    »Ich habe doch diese
verschollen geglaubten Amazonasindianer entdeckt«, sagte er würdevoll. »Bei
denen habe ich mein Handwerk gelernt .«
    »Und ich habe diesen
Werkzeugkasten für Privatdetektive aus dem Prospekt bestellt«, sagte ich.
»Alles funktioniert prima, nur mit den Handschellen komme ich immer noch nicht
klar. Aber das stört eigentlich nur meine Mutter, die ich vor einer Woche an
dieses Wasserrohr im Keller angeschlossen habe .«
    »Da kann ich Ihnen nicht
helfen«, sagte er brüsk. »Und ob die Leute, die Amanda verfolgen, Einbildung
oder Tatsache sind, kann ich Ihnen auch nicht sagen .«
    »Wie man mir überall erzählt,
heißt der Anfang und das Ende ihrer Leiden Dale Forest und ist ihr ehemaliger
Mann«, sagte ich. »Würden Sie mir da beipflichten ?«
    »Ich pflichte niemandem bei«,
konstatierte er. »Das geht mir gegen die Berufsehre .«
    »Und da gibt es noch diese
Erinnerungslücke von sechs Monaten in ihrem Leben«, fuhr ich fort. »In dieser
Zeit hatte sie eine Menge Männer, an die sie sich ebenfalls nicht gern erinnern
will .«
    »Jawohl.« Er nickte weise.
    »Wenn sie sich also das Ganze
nicht nur einbildet, sondern wenn sie tatsächlich von jemandem terrorisiert
wird, dann spricht alles dafür, daß dieser Jemand ihr in den sechs Monaten
begegnet ist. Falls es sich nicht doch um Dale Forest handelt .«
    »Jawohl.« Wieder nickte er.
    »Schicken Sie mir bloß keine
Rechnung für diese Beratung, Doktor«, warnte ich. »Sonst komme ich wieder und
trete Sie gegen’s Schienbein .«
    »Wenn Sie’s finden können«,
sagte er. »Ich bin nämlich ein fixes Kerlchen .«
    »Besten Dank, Dr. Merrill«,
sagte ich angeödet und erhob mich.
    »Moment mal !« Plötzlich grinste er und wirkte fast menschlich. »Sie haben mir ja gar keine
Chance gelassen, meinen Senf dazuzugeben. Das waren ausnahmslos Feststellungen,
mit denen Sie mich konfrontiert haben, Holman .«
    »Haben Sie noch etwas
hinzuzufügen ?«
    »Vielleicht. Setzen Sie sich .« Sein Gesicht war wieder ernst, als ich mich auf meinen
Stuhl zurückfallen ließ.
    »Ich höre«, informierte ich
ihn.
    »Forest ist ganz offensichtlich
Egomane«, begann er. »Möglicherweise hat er auch leichten Verfolgungswahn.
Amanda war ein größerer Star, als er es jemals sein konnte, deshalb hat er sie
auf ein Nichts reduziert. Vielleicht will er ganz sicherstellen, daß sie auch
ein Nichts bleibt, und zwar für den Rest ihres Lebens. Ich kann das nicht
beurteilen, und es fällt auch nicht in mein Fach. Wohl schon eher in Ihres,
würde ich sagen .«
    »Aber Sie glauben nicht ganz
daran ?« erkundigte ich mich.
    »Bei Paranoikern ist alles
möglich«, meinte er. »Trotzdem habe ich meine Zweifel .«
    »Demnach glauben auch Sie
nicht, daß sie sich alles nur einbildet ?«
    »Ich hätte sie nicht aus dem
Sanatorium entlassen, wenn ich nicht von ihren Aussichten auf vollständige
Wiederherstellung überzeugt gewesen wäre«, dozierte er. »Natürlich kann man

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