Nackt schlafen ist bio
über den Wolken machen.
Ich war zuletzt vor ungefähr zehn Jahren, zusammen mit meinen Eltern, in Manhattan und kann mich an kaum noch etwas erinnern, nur dass ich Ohrstöpsel kaufen musste, um nachts schlafen zu können, und dass ich total erstaunt war, welch großer Beliebtheit sich Jekyll-und-Hyde-Themenrestaurants erfreuten. Diesmal hatte ich mir eine ganze Reihe von Sachen vorgenommen:
1. einen Cupcake der Magnolia Bakery probieren
2. viel zu viel Geld im Ladengeschäft von Anthropologie ausgeben
3. eine/n Prominente/n entdecken
4. mir eine Meinung zu Brooklyn bilden und
5. No Impact Man kennenlernen. Wenn wir genug Zeit hatten, konnten wir vielleicht noch das Mo MA besuchen und uns den Times Square ansehen, aber Cupcakes und Prominente gingen vor.
Natürlich hatte keiner dieser Punkte auf meiner To-do-Liste sonderlich viel mit Umweltschutz zu tun, abgesehen vielleicht von meiner Verabredung mit Öko-Blogger Colin. Ja, vieles von dem, was ich in New York tun wollte, stand sogar im Widerspruch zu mehreren meiner grünen Prinzipien (die Glasur des Cupcakes beispielsweise enthielt vermutlich Maissirup, und Anthropologie ließ seine Klamotten bestimmt in irgendwelchen Ausbeuterbetrieben schneidern). Aber wie es in der Tourismusbranche so schön heißt, liegt der Sinn eines Urlaubs darin, mal einen Tapetenwechsel zu erleben – und in meinem Fall bedeutete das, auch mal von all dem Öko-Kram abzuschalten. Ich weiß, wenn ich Zeit und Geld investiere, um New York zu sehen, mich dann aber bewusst zurücknehme und bemühe, all das, was ich gerne tun würde, nicht zu tun, werde ich letztlich nur gestresst sein und mich ärgern. In letzter Zeit wird mir sogar zusehends klarer, dass man sich gelegentlich einen unökologischen Luxus gönnen muss, um ein passabler Umweltschützer sein zu können.
Wenn ich 90 Prozent meiner Zeit im Einklang mit den mir selbst gesetzten grünen Normen lebe – Fertiggerichte und importierte Waren meide, auf Bauernmärkte gehe, biologisch und regional erzeugte Lebensmittel bevorzuge und so weiter – und die restlichen zehn Prozent meiner Zeit bewusst andere, weniger umweltfreundliche Dinge tue – etwa Cupcakes essen, die raffinierten Zucker, Farbstoffe und Maissirup enthalten –, dann werden Tugend und Laster letztlich in einem recht akzeptablen Verhältnis zueinander stehen. Zwar behaupten manche Umweltschützer, die Apokalypse durch die globale Erwärmung stehe unmittelbar bevor, und deshalb müssten wir alle unser Leben radikal ändern und könnten uns keinerlei Öko-Sünden mehr leisten, wenn wir überleben wollten. Aber was mich persönlich betrifft, weiß ich, dass ich auch nicht überleben kann, wenn ich nicht ab und zu ein bisschen über die Stränge schlage.
Damit wir uns richtig verstehen: Mir ist durchaus klar, dass ich als verbitterte Zynikerin enden würde, wenn ich zu meinem alten Lebensstil zurückkehren würde, in dem mir die Folgen meiner Konsumgewohnheiten weitgehend egal waren – abgesehen von den Auswirkungen auf mein Konto – und mich Dinge wie die CO 2-Bilanz eines Cupcakes nun schon gar nicht interessierten. Aber bemühte ich mich darum, Gaias Vorzeigekind zu sein, das nach absoluter Öko-Perfektion strebte, würde ich dabei nur neurotisch werden; über jede Kleinigkeit müsste ich mir den Kopf zerbrechen und schlaflose Nächte lang über der Frage brüten, ob Energiesparlampen und LED s wirklich die Leuchtmittel der Zukunft sind, jedes Drücken der Toilettenspülung wäre mit zermürbenden Gewissensbissen verbunden, die meisten Freunde und Angehörigen würden sich über kurz oder lang von mir abwenden und so weiter. Der springende Punkt ist doch: Man kann die Leute schlecht zu einem ökologischeren Verhalten bewegen, solange sie in Umweltschützern nur eindimensionale Öko-Freaks sehen, die bei jedem Umweltvergehen Zeter und Mordio schreien.
Über dieses Spannungsfeld zwischen Tugend- und Lasterhaftigkeit, zwischen Skepsis und Ernsthaftigkeit, mache ich mir immer wieder Gedanken, besonders wenn ich bei meinem Öko-Abenteuer unversehens mit meiner eigenen Heuchelei konfrontiert werde und sie zu verdrängen versuche. Als Ian mich letzten Monat in dem Sushi-Restaurant zur Rede stellte, weil ich importierte Avocados und ausländisches Bier bestellt hatte, faselte ich etwas in der Art, dass das nun mal das Umweltfreundlichste sei, was diese völlig unökologische Speisekarte zu bieten habe. Als er unseren Flug nach New York zur Sprache brachte, hielt ich
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