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Nackt schlafen ist bio

Nackt schlafen ist bio

Titel: Nackt schlafen ist bio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farquharson
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nächsten Supermarkt und kaufen eine billige Sahnetorte mit viel Zuckerguss. Wenn der große Moment gekommen ist (das heißt nach mehreren Gläsern Wein und meist zu Beginn eines Cure-Songs), drücken sie ihre Gesichter tief in die Torte. Sie behaupten, es sei ein sehr befreiendes Gefühl; danach ist allerdings eine Menge wenig befreiender Putzarbeit vonnöten, verbunden mit einem schlechten Gewissen, weil man Lebensmittel wegwirft. (Obwohl Meghan schnell mit dem Argument bei der Hand ist, dass Sahnetorten praktisch keinerlei Nährwert haben.) Abgesehen davon machen wir oft auch ein Gesellschaftsspiel oder unternehmen sonst etwas – einmal gab es eine Art Kochduell mit einem Hamburger als geheimer Zutat; in einem anderen Jahr spielten wir Verstecken im Dunkeln. Besonders gelungen war der Abend, als wir uns Fatsuit-Kostüme ausliehen und einen Sumoringer-Wettkampf im Keller veranstalteten. Dieses Jahr wollten wir unsere Fete etwas zurückhaltender gestalten und uns Kurzgeschichten vorlesen. Wer mochte, sollte sich dazu im Stil des Großen Gatsby kostümieren. Zweifellos würde dies die abgefahrenste Silvesterparty von ganz Toronto sein, und genau das war unser Ziel.
    Auch wenn es nur ein Abend unter Freunden war, galt es gemäß meinen grünen Regeln als besonderer Anlass, und das bedeutete, ich durfte mir ganz offiziell energiefressende volle 10 Minuten lang die Haare föhnen, sie weitere 15 Minuten in mein Glätteisen klemmen und meine giftige, aber ach so volumenverstärkende Mascara auftragen. Nachdem ich ein bisschen Rouge aufgetupft, meinen PeaceKeeper-Lippenstift aufgetragen und mit meinem Kussmund ein Blatt Recycling-Toilettenpapier geziert hatte, löschte ich alle Lichter und schlüpfte zur Tür hinaus.

4. JANUAR , 310. TAG
    Seifenschale aus recycelten Essstäbchen benutzen
    »Mach die Augen zu«, sagte Jacob.
    Wir saßen in seinem meergrünen Toyota Tercel, Baujahr 1992, dem Auto, das meistens mit einem Platten in der Garage seines Vaters steht. Doch jetzt warteten wir vor Ians Haus, wir drei wollten essen gehen, in ein neu eröffnetes Restaurant namens Citizen; es war ein weiterer ambitionierter Versuch meines Torontoer Lieblingskochs, in dessen anderem Lokal, dem gemütlichen Bistro Rosebud (der Mann hatte es offenbar mit Citizen Kane ) es atemberaubende milchproduktefreie Gnocchi mit Ochsenschwanzragout gab … die für mich momentan leider nicht infrage kamen, weil ich nicht wusste, woher das Fleisch stammte.
    »Sind zu«, sagte ich.
    »Gut«, meinte Jacob. »Ich weiß ja nicht, ob dir so was gefällt, aber hier … bitte.«
    Er drückte mir etwas in die Hand.
    »So, jetzt darfst du gucken.«
    Ich öffnete die Augen und sah eine CD mit knallblauem Cover, auf dem eine Frau in engen Jeans und einem bauchfreien T-Shirt posierte, als werbe sie für eine Diät: ein Knie ein bisschen gebeugt, die Hände in die Taille gestemmt, schaute sie mit leicht gesenktem Kopf und einem breiten Lächeln über die Schulter. Darüber stand etwas in Gelb, was ich nicht entziffern konnte, weil es arabisch war.
    »Das ist Shereens neuestes Album«, sagte Jacob, »Arabo-Pop – so etwas haben wir damals gehört, als wir ans Tote Meer gefahren sind und davor meine Plastikflaschen zum Recycling gebracht haben.«
    Ich erinnerte mich. Mir hatte die Musik sehr gefallen. Obwohl ich außer habibi , was laut Jacob »Geliebter« heißt, kein Wort vom Text verstand. Aber es war schwungvoll und ging ins Ohr.
    »Oh, ja! Vielen, vielen Dank!«, sagte ich.
    Jacob sah aus, als wäre er rot geworden, obwohl man das im Dunkeln nicht eindeutig sagen konnte, also lehnte ich mich unbeholfen über den Schalthebel, wobei mir der Gurt fast die Luft abschnürte, und umarmte ihn. Das wurde allmählich zu einer lieben Gewohnheit. Ich hatte den Burschen seit unserem Wiedersehen, damals in dem Restaurant zusammen mit meinen Eltern, schon mindestens siebenmal umarmt. Zum einen, damit er nicht zu kurz kam, denn in Palästina war Körperkontakt ja ziemlich verpönt, hauptsächlich aber, weil mir danach war. Also tat ich es einfach und versuchte, nicht allzu viel darüber nachzudenken.
    Am nächsten Tag war ich in meinem Lieblings-Hippieladen, wo ich immer meine Flaschen mit natürlichem Wasch- und Spülmittel auffülle. Dort gibt es nicht nur eine Menge Auswahl an Nachfüllbarem, sondern auch einige hinreißende Klamotten – etwa Kleider, die aus Secondhand-Pullovern und Bambusstoff geschneidert sind –, und normalerweise finde ich dort auch ein neues

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