Nackt schlafen ist bio
Würmern und stinkender Erde direkt auf meinen Wohnzimmerboden.
Ich konnte es nicht fassen. Es war wie eine Twilight Zone -Szene für Ökos.
Während ich dasaß und den Haufen Mulch zu Füßen meiner Couch anstarrte, schwankte ich zwischen zwei Reaktionen: Sollte ich vor lauter Selbstmitleid losheulen oder angesichts dieser absurden Situation in Gelächter ausbrechen? Die Entscheidung fiel mir nicht leicht. Wenn ich mich auf etwas wirklich verstehe, dann ist es Selbstmitleid, und Flennen erschien mir gerade als ziemlich gute Wahl. Aber nachdem ich ein paar Sekunden lang im Schneidersitz dagehockt hatte, den Kopf in die Hände gestützt, den Blick auf die Würmer gerichtet, wie sie sich auf der Suche nach den Lebensmittelresten, die sie zuletzt in Arbeit gehabt hatten, über den Boden schlängelten, da entschied ich mich schließlich doch dafür, zu lachen und mir die Kehrschaufel zu schnappen.
4. OKTOBER , 218. TAG
Keine Frischhaltefolie mehr
Kompostjunkies. Jawohl, das sind sie.
Janet, die Leiterin meiner Gruppe bei den Toronto Environmental Volunteers, hatte mich vor diesen Leuten gewarnt, als sie uns bei einer TEV -Gruppensitzung darüber informierte, was wir alles über die bevorstehenden Umwelttage wissen mussten, die jede Woche an einem anderen Platz in der Stadt stattfanden. Hier konnten die Bürger Giftmüll zur fachgerechten Entsorgung sowie Polystyrol, Plastiktüten und Frischhaltefolien – von denen ich mich heute als Öko-Maßnahme des Tages verabschiedet hatte – zum Recyceln abgeben. Außerdem konnte man neue Mülltrennungseimer, Kompostierer und Nachrüstsätze zum Wassersparen mitnehmen, Klamotten, Brillen und Möbel für gemeinnützige Zwecke spenden, Lebensmittel für die Tafeln abgeben oder an den Infoständen etwas über die sonstigen städtischen Projekte erfahren.
Doch der Grund, weshalb diese Umwelttage so beliebt waren, hatte nichts mit Korkenrecycling, Batterienentsorgung oder den Infomaterialien zu tun – nein, es ging um Mulch. Um einen riesigen, zweieinhalb Meter hohen, zwölf Tonnen schweren Mulchhaufen.
»Halten Sie sich von dem Haufen fern, sonst riskieren Sie, mit einer Schaufel eins draufzubekommen«, riet uns Janet. »Die Leute sind total wild auf das Zeug. Manchmal ist es in 20 Minuten weg. Wir hatten einmal zwei Polizisten an dem Haufen aufgestellt, aber als wir ihn dann freigaben, sind alle darauf losgestürmt, und die Polizisten konnten nur noch den Kopf einziehen und sich in Sicherheit bringen.«
Anscheinend ist dieser Kompost der beste Dünger weit und breit, und was noch wichtiger ist: Er ist gratis. Eine Mischung aus Laub- und Lebensmittelabfällen, die ein Jahr lang in einem Thermo-Komposter außerhalb der Stadt aufbereitet wird, bis Kompost daraus entstanden ist. Jede Woche wird etwas davon mit einem Kipplaster dorthin gebracht, wo der nächste Umwelttag stattfindet, und auf dem Gras oder Asphalt abgeladen. Wenn die Bezirksrätin ein entsprechend hohes Jahresbudget hat und bei ihren Wählern wirklich Eindruck schinden will, spendiert sie manchmal sogar eine zweite Lkw-Ladung.
Vor dem Treffen hatte ich mit Geoff Rathbone, dem Leiter der städtischen Abfallwirtschaftsbetriebe, gesprochen, weil ich an einer Story über Kompostierung arbeitete. Er ist seit mehr als zehn Jahren an der Organisation der Umwelttage beteiligt und hat miterlebt, wie sich diese Komposthaufen zunehmender Beliebtheit erfreuten und aus der anfangs nur neugierigen Menge ein rasender, tollwütiger Mob wurde.
»Letztes Jahr hatten wir insgesamt mehr als 32 000 Besucher«, erzählte er. »Die Kompostjäger tauchen oft schon eine Stunde vor der Anlieferung auf, um sich einen guten Platz zu sichern. Die Frage nach Einführung von Personenkontrollen wird bei uns immer wieder heiß diskutiert … Die Leute machen sich von allen Seiten an den Haufen heran, manche klettern sogar hinauf. Innerhalb kürzester Zeit ist fast alles weg, aber die ganz Hartgesottenen fegen am Schluss sogar noch die Reste zusammen. Besonders wenn wir auf Parkplätzen abladen, denn dann ist noch was in den Ritzen des Asphalts.«
Sie fegten Mulchkrümel aus den Ritzen des Straßenbelags?
Das musste ich mit eigenen Augen sehen.
Und so stand ich heute im strömenden Regen auf der Straße und hielt Ausschau nach Janet, die sicher einen Tilley-Hut tragen würde (was auch stimmte – einen mit Knöpfen). Ich winkte ihr zur Begrüßung zu, woraufhin sie sogleich zu mir stapfte und mir ein so warmes Lächeln schenkte, dass es
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