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Nackt schlafen ist bio

Nackt schlafen ist bio

Titel: Nackt schlafen ist bio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farquharson
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über den Mangel an Sonne hinwegtröstete. Mit einer Handbewegung tat sie meine Entschuldigung wegen meiner Verspätung ab und geleitete mich zu einem der Zelte, wo sich schon andere freiwillige Helfer versammelt hatten. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde schlug sie vor, ich solle mich den Abfallwirtschaftsleuten anschließen, die für Polystyrol und andere Plastikabfälle zuständig waren. Dazu gab sie mir ein Paar Gartenhandschuhe mit Blümchenmuster, ein grünes Poloshirt mit TEV -Logo und den Rat, zuzuschauen und zu lernen.
    Ich brauchte allerdings nicht lange zuzuschauen, bis ich es kapiert hatte: Es gab zwei Tonnen für Frischhaltefolien und Plastiktüten aller Art – ausgenommen solche mit Kordelzug – und zwei Tonnen für Polystyrol und Einwegessensbehälter aus Plastik. Nur Styropor und Plastik mit der aufgedruckten Recyclingnummer 6 durften hinein, also keine Verpackungschips oder hartes, unzerbrechliches Material. Die Probe aufs Exempel machte man stets, indem man das Material zu zerreißen versuchte; nur wenn das ging, durfte es in die Tonnen. Sobald diese voll waren, schleppten wir den Inhalt in Säcken zum Lkw und ließen sie von den Arbeitern einladen.
    Das heutige Abfallwirtschaftsteam für Plastikmüll bestand aus drei Männern: Brian, Luke und Jason. Brian war dreißig, die anderen in den Zwanzigern; alle arbeiteten Teilzeit bei der Stadt Toronto, und alle waren sie – zumindest meiner Meinung nach – echt schnuckelige Jungs.
    Sieh mal einer an, dachte ich mir. In der Hitparade der Plätze, wo man interessante Jungs kennenlernen kann, war die Mülltrennungsabteilung der Abfallwirtschaftsbetriebe gerade auf Platz eins vorgerückt. Vielleicht sollte ich mir im Anschluss daran mal die Kläranlage und die Behörde für Schädlingsbekämpfung ansehen.
    Als nach etwa einer Stunde zum Regen noch Kälte hinzukam, beschlossen die Jungs, zum Tierservice-Zelt hinüberzugehen, wo man Broschüren über Tieradoption bekam und sich beraten lassen konnte, wenn der Garten des trauten Heims von Waschbären oder Eichhörnchen heimgesucht wurde. Zudem gab es Informationen über den Tiereinschläferungsdienst. Ich war teils beeindruckt, teils beunruhigt, als ich erfuhr, dass in der Tierservice-Zentrale ein riesiger Kühlschrank stand, in dem tote Tiere bis zu ihrer Verbrennung zwischengelagert wurden – nicht nur Katzen und Hunde, sondern auch alle überfahrenen Tiere.
    »Sie werden in Müllsäcken aufbewahrt, damit der Kühlschrank sauber bleibt, aber wir können die Säcke nicht mitverbrennen«, erläuterte die junge, zierliche Brünette am Infostand. »Das ist ein bisschen unangenehm, weil wir sie dann wieder aus den Säcken rausnehmen müssen, bevor sie auf einen Haufen geworfen und verbrannt werden.«
    Entsetzt starrte ich sie an. Was sie zu genießen schien.
    »Am schlimmsten ist es im Sommer«, fuhr sie fort, »an richtig heißen Tagen, wenn man tote Tiere von der Straße abkratzt mit all den Maden dran, und dann fällt der Strom aus, und der Kühlschrank fängt an zu stinken.«
    Mein Magen machte einen Satz, was man mir offenbar ansah.
    »Ja«, setzte sie hinzu, »ehrlich, an solchen Tagen bringen mich keine zehn Pferde in die Arbeit.«
    Die Frage, wie sie es sich leisten konnte, als Vollzeitangestellte einfach nicht zur Arbeit zu erscheinen, ging mir nur flüchtig durch den Kopf; ich dachte vor allem an verwesende Eichhörnchenkadaver, blutverkrustetes, schwarzes Fell und Fliegen, die sich am Saft der Augäpfel labten.
    »Will jemand Kekse?«, vernahm ich plötzlich eine Stimme hinter mir.
    Es war eine andere TEV -Gruppenleiterin, die eine Plastikpackung mit Schokokeksen aus einem nahe gelegenen Laden in den Händen hielt. Alle griffen hinein und bedienten sich. Zwar hatte ich jeglicher Schokolade, die nicht aus fairem Handel stammte, abgeschworen, wollte andererseits aber nicht wie jemand dastehen, der übertrieben auf seine Linie achtete oder Bedenken wegen Gluten, Laktose oder sonst irgendwelchen Inhaltsstoffen hatte, also nahm ich auch einen. Er schmeckte altbacken.
    »He, kaum zu glauben, dass Sie ausgerechnet am Umwelttag Lebensmittel in einer Wegwerfverpackung kaufen«, sagte ich in möglichst lockerem Ton zu der Helferin.
    »Ja, aber ich kann sie gleich dort drüben recyceln«, entgegnete sie und deutete auf unseren unbesetzten Stand. Eins zu null für sie. Es war nämlich ein Nummer-6-Kunststoff und ließ sich leicht zerreißen.
    »Ist aber trotzdem ein bisschen paradox, oder?«, hakte ich

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