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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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uns noch hätte erschüttern können. Mussten wir »stehen«, gingen wir über den Bock, in den Bunker, oder hingen wir am Baum, beeinträchtigte uns das kaum mehr. »Pech gehabt«, hieß es im äußersten Falle. Leichen, Kranke, Krüppel, Abgezehrte, Verhungernde, was waren sie uns noch? Sie gehörten zum alltäglichen Bild des Lagers.
    Und doch gab es noch etwas, das auch uns alte, abgebrühte Konzentrationäre erschüttern konnte.
Das war das »Kleine Lager«.
Auch heute, da wir der Hölle entronnen sind, nennen wir diesen Namen noch mit einer gewissen Scheu. Dieses »Kleine Lager« war der Inbegriff alles menschlichen Elends.
    »Der Menschheit ganzer Jammer faßt mich an!«, stöhnt Faust, als er vor Gretchens Kerker steht. Hätte Goethe Worte finden können, wenn er vor dem Kerker der Tausenden da oben auf dem Ettersberg gestanden? – Keine Sprache der Erde findet auch nur annähernde Begriffe, um die furchtbarsten aller Zustände zu schildern, die im »Kleinen Lager« herrschten. Und ich soll darüber schreiben? …
    Das »Kleine Lager« war eine Gesamtheit von Blocks innerhalb des Lagers Buchenwald. Es bestand aus alten Pferdeställen, die von einem doppelten Stacheldrahtzaun umgeben waren. Hier wurden die Massen der täglich einlaufenden Zugänge zusammengetrieben. Hier hausten sie, die aus anderen Lagern nach Buchenwald gebracht worden waren. Franzosen, Holländer, Polen, Rumänen, Russen, Griechen, Belgier, Ungarn, Deutsche, Juden aller Nationen, Zigeuner, hochgebildete Menschen, Geistesschwache, Kranke, Krüppel, Verbrecher, Greise, Kinder, alles durcheinander. Ein einzelner Block war im Durchschnitt mit über 1000 Mann belegt.
    Die Blocks entbehrten jeglicher Einrichtung, die den Aufenthalt von Menschen, noch dazu in so großer Anzahl, berechtigt erscheinen ließe. Es gab z. B. keine Fenster, denn es waren, wie gesagt, alte Pferdeställe, die nur eine schmale, kaum 25 cm »breite« Glasritze als »Fenster« besaßen. An den Längswänden befanden sich die »Betten«. Betten! Wenn ich das Wort schon höre. Es waren dreifach bis unter das Dach des Pferdestalles aufgestaffelte Holzverschläge, Obsthürden vergleichbar. In diesen »Betten« lebten die Gefangenen.
Lebten!
Ja! Denn die Blocks waren so eng und derart überfüllt, dass sich das tägliche Leben der Insassen buchstäblich im Bett abspielte. Ein Aufenthalt im Block war durch die Enge des Raumes nicht möglich. So lagen denn die Gefangenen in ihren Verschlägen und verbrachten den Tag. Hier aßen sie, wenn sie am Tisch keinen Platz fanden, hier schliefen sie. Spinde oder Schränke zur Aufnahme der Habseligkeiten gab es keine, und der Gefangene musste seine wenigen »Brocken«, die er besaß, im Bett unterbringen, selbst seine Essschüssel. Ein infernalischer Gestank herrschte im Raum, der selbst uns, die wir daran gewöhnt waren, den Atem stocken ließ. Es wimmelte von Ungeziefer, von Flöhen und Läusen. Wenn ich sage, dass die Flöhe massenweise auf dem Fußboden herumhüpften, so bitte ich das
wörtlich
zu nehmen, selbst wenn du dir, lieber Leser, keine Vorstellung davon machen kannst. Aber wärest du mit mir in einen solchen Block gegangen und hättest auf den Fußboden geschaut, dann hättest du sie fröhlich hüpfen sehen können.
    Verdreckt, verlaust und ungewaschen, unrasiert, stinkend vor Kot, von eiternden Wunden geplagt, so lebten die Menschen im »Kleinen Lager«. Phlegmone und Wassersucht waren die häufigsten Krankheiten. Phlegmone, das heißt: eiternde Wunden, so groß wie eine Hand, mit Löchern, in die man bequem eine Faust stecken konnte. Wassersucht,das heißt: geschwollene Füße, so dick wie Oberschenkel. Die Insassen des »Kleinen Lagers« unterschieden sich wesentlich von den anderen, die das Glück hatten, in relativ besseren Wohnverhältnissen zu leben. Als Kleidung dienten jenen nur Lumpen, die sie Tag und Nacht auf dem Leib hatten, denn auch des Nachts entledigten sie sich ihrer Kleidung nicht. Es gab für sie ja keine Decken, und die Nächte waren kalt. So wurden Menschen, die im zivilen Leben vielleicht eine achtbare Stellung innegehabt hatten, binnen kurzem zu »Tonnenadlern«, »Muselmännern« und »Kretinern«, die sich aus Kehrichthaufen und Abfalltonnen das noch »Brauchbare« herausklaubten, die Kartoffelschalen und verfaulte Steckrüben aßen. Die den Futterwagen des Schweinestalles überfielen und sich eine Mütze voll Schweinefutter klauten, um es an Ort und Stelle gierig zu verschlingen. Völlig abgestumpft,

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