Nackt
Aspekte, aber aus irgendeinem Grunde ließen meine nervösen Angewohnheiten nach, als ich mit Zigaretten anfing. Vielleicht war es Zufall, oder möglicherweise zogen sich die Macken angesichts eines Gegners zurück, der – bei allen Gesundheitsrisiken – mit größerer gesellschaftlicher Akzeptanz rechnen kann als das Ausbrechen in kleine, spitze Schreie. Hätte ich nicht geraucht, wäre ich wahrscheinlich unter Medikamente gesetzt worden, die genauso viel Geld gekostet, mir aber das Handwerkszeug vorenthalten hätten: die Feuerzeuge, die ich gedankenlos auf-und zuschnipsen kann; die Aschenbecher, die mir einen legitimen Grund zum Verlassen meines Stuhls verschaffen; schließlich die Zigaretten, die mich beruhigen, während sie mir etwas geben, was ich mit Händen und Mund tun kann. Es war, als sei ich zum Rauchen geboren, und als wären meine Glieder, bis mir das klar wurde, auf der Suche nach einer Alternative gewesen. Alles ist ganz prima, solang ich weiß, dass es eine Zigarette in meiner unmittelbaren Zukunft gibt. Die Menschen, die mich bitten, in ihrem Auto nicht zu rauchen, haben keine Ahnung, was sie sich damit einhandeln.
«Weißt du noch, wie du die Augen gerollt hast?», fragen meine Schwestern. «Weißt du noch, wie du so heftig den Kopf geschüttelt hast, dass deine Brille auf den Holzkohlengrill fiel?»
Wenn sie derlei erwähnen, versuche ich manchmal einen Rück- griff auf meine alten Macken und Gewohnheiten. Wenn ich spät nachts in meine Wohnung heimkehre, fordere ich mich dazu heraus, die Nase gegen die Türklinke zu pressen oder die Augen zu rollen, um den einst so befriedigenden Schmerz hervorzurufen. Oder ich beginne die Papierservietten im Serviettenhalter zu zählen, aber der Übung mangelt es an ihrer alten Dringlichkeit und ich verliere bald das Interesse. Im Bett wurde genauso wenig gewackelt wie sechzigmal hintereinander «Up, Up, and Away» aufgelegt. Ich konnte mir ganz leicht etwas anderes genausooft im Schaukelstuhl anhören, aber die frühere, bettlägerige Methode kann mir keinen Trost mehr spenden, weil ich den Code vergessen habe, den man zum Entziffern des Schlagertextes brauchte, damit der Ruck-und-Zuck-Trick wirkte. Ich weiß nur noch, dass es in einer meiner Geschichten zu diesem Text darum ging, dass sich alle Einwohner von Raleigh, North Carolina, in der Gondel eines Versuchsballons, den ich konstruiert hatte, versammeln mussten. Er war so ausgerüstet, dass er explodierte, sobald die Stadtgrenzen erreicht waren, wovon die Passagiere allerdings nichts ahnten. Die Sonne schien ihnen ins Gesicht, als sie den Blick zum blauen Himmel emporhoben, bereits leicht schwindlig vor Aufregung.
«So ein schöner Ballon!», sagten alle, hielten sich am Geländer fest und klommen treppauf, ihrem feurigen Schicksal entgegen. «Wollen Sie nicht mitkommen?»
«Tut mir leid, Leute», sagte ich und drückte die Nase gegen die Oberfläche meines Fahrkartenschalters, «aber ich habe andere Pflichten.»
Schafft die Ya Ya raus
M eine Familie pflegte jahrelang von North Carolina in den westlichen Teil des Staates New York zu fahren, um die Verwandten zu besuchen, die wir zurückgelassen hatten. Nachdem wir zehn Tage bei der Familie meiner Mutter in Birmingham verbracht hatten, fuhren wir die halbe Stunde bis nach Cortland, um einen Nachmittag mit der Mutter meines Vaters zusammenzusein, die wir Ya Ya nannten.
Die Ya Ya hatte einen Zeitungs/Süßwarenladen, einen langen, engen Raum mit Zeitschriftenregalen und den hohen, an die Wand gebauten Stühlen, auf denen die Stadtmenschen saßen, wenn sie sich die Schuhe putzen ließen. Sie wohnte über dem Laden in einer Wohnung, in der mein Vater aufgewachsen war.
«Ein Scheiß-Rattenloch», sagte meine Mutter und bereits im Alter von sieben Jahren dachte ich: Sie hat recht. Ein echtes ScheißRattenloch.
Die Eltern meiner Mutter wohnten ebenfalls in einer Wohnung, aber die war unter dem Gesichtspunkt des Komforts angelegt und eingerichtet, komplett mit Badezimmertür und zwei Fernsehern. Ich verbrachte meine Zeit bei der Ya Ya, indem ich mich fragte, was ihre Wohnung wohl gewesen war, bevor jemand auf die grausame Idee kam, sie als Wohnung zu vermieten. Der dunkle, erstickende Flur war als Küche total fehlbesetzt und das Badezimmer sah verdächtig nach einem Wandschrank aus. Von Wäscheklammern zusammengehaltene Laken trennten das Schlafzimmer vom Wohnzimmer, wo der Esstisch stramm zwischen Sofa und Kühlschrank festgekeilt war. Es musste doch
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