Nackt
Orthodox Church abspielte. Unser Vater setzte uns jeden Sonntag auf dem Weg zum Golfplatz dort ab und holte uns eine bis zwei Stunden nach dem Gottesdienst wieder ab. «Da lernt sie viele neue Freunde kennen», sagte er voraus. «Sie werden sie lieben in der Kirche.»
Es gab in Holy Trinity eine ganze Reihe alter Muttchen, Witwen wie die Ya Ya , schwarz gekleidet, die sich mit Stöcken und Gehhilfen fortbewegten. Trotzdem war es schwer vorstellbar, dass die Ya Ya sich mit jemandem anfreunden sollte. Sie fuhr nicht Auto, schrieb keine Briefe und telefonierte nicht und erwähnte nie jemanden in Cortland, wo sie x Jahre lang hätte Freundschaften schließen können. Warum glaubte mein Vater, sie würde sich urplötzlich ändern?
«Sie könnte doch zum Beispiel mit Mrs. Dombalis ins Kino gehen», sagte er.
«Genau», stimmte meine Mutter zu. «Und danach pfeifen sie sich beim Argentinier ein paar Steaks rein, bevor sie die Diskothek aufmischen. Traurig, aber wahr, Baby: Es wird nie geschehen.»
An ihrem ersten Sonntag in unserer Kirche unterbrach die Ya Ya den Gottesdienst, indem sie ihren Stock wegschmiss und auf Händen und Knien durch den Mittelgang kroch. Der Pope sah sie kommen, und wir beobachteten, wie sein Blick nervös flackerte und er erst einen Schritt zurücktrat und dann noch einen und dann noch einen. Der Mann klebte am Altar, als die Ya Ya ihn endlich erreicht hatte und seine Schuhe erst liebkoste und zum Schluss auch noch abküsste.
Jemand musste vortreten und die Situation unter Kontrolle bringen, aber meine Mutter war zu Hause und schlief, und mein Vater war auf dem Golfplatz. Blieben meine Schwestern und ich und wir wollten nichts damit zu tun haben. Mitglieder der Gemeinde drehten sich um, suchten nach näheren Verwandten und wir taten es ihnen gleich.
«Keinen Schimmer», sagten wir. «Ich habe diese Frau noch nie gesehen. Vielleicht gehört sie zu den Stravides’.»
Mit der Zeit lernten wir, uns auf dieses Verhalten einzustellen. Meine Mutter nahm die Ya Ya mit ins Warenhaus und hinter den Regalen beobachteten wir, wie sie mit BH und knielanger Unterhose die Umkleidekabine verließ. Auf dem Parkplatz bückte sie sich, um leere Dosen und Styropor-Becher und Stückchen Pappe und Fetzen Papier aufzuheben, welche sie dann froh aus dem Fenster warf, sobald das Auto eine feine, manikürte Wohngegend erreicht hatte. Sie war nicht senil oder ressentimentgeladen, sie hatte nur ihre eigene Art, Dinge zu tun, und verstand die ganze Aufregung nicht. Was war denn so verkehrt daran, Brotteig auf dem Küchenfußboden zu kneten? Wer sagt, ein neugeborenes Baby soll sich sein Bettchen nicht mit einem riesenhaften Holzkreuz teilen? Wer sagt, man soll sein hüftlanges Haar nicht mit Olivenöl behandeln? Was für Flecken auf dem Sofa? Wovon redet ihr eigentlich die ganze Zeit?
«Sowas kommt vielleicht auf dem Olymp ganz gut an», sagte meine Mutter. «Aber in meinem Haus waschen wir die Strümpfe nicht in der Kloschüssel.»
Die Ya Ya akzeptierte die Frauen in meiner Familie als eine weitere kleine Enttäuschung, die das Leben für sie bereitgehalten hatte. Mädchen musste man dulden, aber jeder Junge war ein König, zum Verwöhnt- und Mit-sauren-Klößen-vollgestopft-werden geboren. Sie war außer sich vor Freude, als meine Mutter mit ihrem letzten Kind niederkam, einem Jungen, den die Ya Ya Hercules nennen wollte.
«Pouláki mú», sagte sie und drückte mir einen halben Dollar in die Hand, «pouláki mú krísom.» Das war ihr üblicher Kosename für mich, roh übersetzt «mein goldnes Vögelein». «Du jetzt hole Baby und wir es geben Zuckerzeug.»
Mein Bruder und ich gewöhnten uns an die Ya Ya als eine Art primitiven Bankautomaten. Sie war immer für ein bis zwei Dollar gut, und weil wir Jungens waren, brauchten wir ihr nur die Autotür zu öffnen oder sie davon zu informieren, dass ihr Weihrauch soeben eins ihrer bestickten Kissen in Brand gesetzt habe. Ich hatte gelernt, sie nie in die Öffentlichkeit zu begleiten, aber davon abgesehen, hatten die Ya Ya und ich keine Probleme miteinander. Ich sah sie als guten Geist, stumm und unsichtbar, bis man ein bisschen Taschengeld brauchte. Wenn die Ya Ya fernsah, konnte man jederzeit das Programm wechseln; man brauchte nicht mal zu fragen. Sie konnte von der Ansprache des Präsidenten zur Lage der Nation zu einem Bullwinkle-Zeichentrickfilm übergehen, ohne je den Unterschied zu bemerken. Man konnte neben ihr im Wohnzimmer sitzen, war aber nie gezwungen, ihr
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