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Nackt

Nackt

Titel: Nackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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Wasserstrahl frei, und die Kammer wurde noch heißer. «Magst du das?», fragte sie. «Das ist Eukalyptus. Wenn Barb da ist, darf ich das nicht benutzen, weil sie allergisch ist. Da schwellen ihr die Backen im Gesicht an, als wären sie mit Watte gepolstert. Du bist nicht allergisch, oder? Sonst rennst du nämlich lieber, solang du noch kannst. Ich hab mir vor ein paar Jahren den Rücken durcheinandergebracht und kann jetzt keine Katze mehr tragen, geschweige einen ausgewachsenen Mann. Ich kann höchstens zum Klubhaus gehen und Hilfe holen, aber selbst das dauert seine Zeit. Bis ich zurück bin, kannst du dann schon tot sein …; also entscheide dich: Bist du allergisch oder nicht?»
    Ich war nicht allergisch.
    «Gut!» Wieder zielte sie mit ihrer Flasche auf den Hochofen.
    «Spürst du das? Eukalyptus ist eine Heilsalbe, im alten Griechenland und Ägypten der große Renner. Es hat Sokrates und König Ramses dem Zweiten die Nebenhöhlen geöffnet, damit sie sich auf die wichtigeren Dinge konzentrieren konnten wie … Demokratie und Schlangen. Macht den Geist frei, Eukalyptus. Mir kommen hier in der Sauna die wildesten Gedanken, kann ich dir sagen! Gedanken wie, na, was wäre, wenn jeder auf der Welt einen Wunsch frei hätte, aber man muss, damit er in Erfüllung geht, bis an sein Lebensende auf Händen und Knien herumkrabbeln? Eine harte Nuss, was? Wenn man sich Reichtum wünscht, muss man auf allen vieren durch seinen Palast krabbeln, und der Nerzmantel schleift hinterher. Was darfs denn sein? Den Weltfrieden; ein Mittel gegen Krebs; dass Hunger und Elend ein Ende haben; was wünschst du dir?»
    Der Eukalyptus hatte meinen Geist offensichtlich nicht so freigemacht wie ihren. Trotzdem war es mir, sobald die Frage aufgeworfen war, nicht mehr möglich, nicht an sie zu denken. Wenn ich Gesicht und Körper meiner Träume hätte –, was würden sie mir nützen, wenn ich wie ein Tier gehen musste? Vielleicht, wenn ich mir wünschte, glücklich zu sein, wäre mir das Krabbeln egal –, aber was für ein Mensch wäre ich, wenn ich von Natur aus glücklich wäre? Ich habe solche Leute in Erbauungssendungen gesehen und sie machen mir Angst. Warum musste ich überhaupt darüber nachdenken? Ich sah in Jacki‘s rundes, glänzendes Gesicht. Die Hände hatte sie über dem Bauch gefaltet wie ein verhutzelter, geduldiger Flaschengeist. «Wenn ich einen Wunsch freihätte, würde ich mir eine unbegrenzte Menge von Wünschen wünschen», sagte ich.
    Sie schüttelte den Kopf auf eine Weise, die andeutete, dass sie diese Antwort bereits unzählige Male gehört hatte. «Nun werd nicht gierig, Dave, du hast nur einen Wunsch.»
    Der Raum füllte sich mit Dampf, und benommen, wie ich war, kam mir in den Sinn, dass diese Frau vielleicht tatsächlich irgendeine modrige übernatürliche Kraft besaß. Die Begleitumstände waren so bizarr, dass sie vielleicht ausgesandt worden war, um meine eine, wahre Sehnsucht wahrzumachen. Ich dachte daran, mir meine Mutter zurückzuwünschen, aber solche Wünsche haben oft einen Haken. Wenn ich um meine Mutter bat, bekam ich vielleicht eine Urne voll redender Asche, die sich bitter über den Anblick ihres Sohnes beklagte, der wie ein Bluthund durch den Raum jachterte. Krankheiten zu heilen ist eine nette Idee, aber wenn wir alle einen Wunsch hatten, war bestimmt längst irgendein schlauer Vierzehnjähriger draufgekommen. «Ich würde mir wünschen», sagte ich, «fliegen zu können.»
    «Nicht schlecht.» Jacki kratzte einen Mückenstich am Oberarm und seufzte: «Ich muss übers Wochenende weg und freue mich überhaupt nicht darauf. Wenn ich könnte, würde ich das ganze Jahr hier wohnen, aber mein Wohnwagen ist nicht winterfest, und mit meinem schlimmen Rücken kann ich die Einfahrt gar nicht freischippen. Es ist schon so weit mit mir gediehen, dass ich es überhaupt hasse, nicht hier zu sein. Am Wochenende muss ich zu einem Kirchen-Benefiz nach Hause und am Dienstag muss ich zum Geburtstag meiner Enkelin. Gell, da staunst du! Das sagt fast jeder, dass ich für eine Großmutter zu jung aussehe, aber sei dem nun, wie ihm wolle, ich habe drei wunderschöne Enkelkinder, und sie fanden es hier ganz toll.»
    Schon, schon, aber was wurde aus meinem Wunsch? War die Frage ein Trick gewesen, um meinen Charakter zu testen? Warum sprach sie über ihre Enkel und wo waren meine Klamotten?
    «Als ich sie zum ersten Mal hierher mitgebracht habe, haben sie Cliff Shirley gesehen, der am Schwimmbecken stand, und gesagt:

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