Nackt
rechts ran. Es waren drei College-Studenten, die das Wochenende zu Hause in Akron verbringen wollten. Ich berichtete ihnen, was geschehen war und meine Stimme war hauchig und hoch. «Und dann bin ich aus dem Wagen gesprungen und in den Wald gerannt und er kam mit einer Pistole hinter mir her und …»
«Es geht mich zwar nichts an», sagte der Fahrer, «aber bist du zufällig eine Schwuchtel?»
Seine Kumpel hielten sich die Hand vor den Mund und lachten hinein. Dies war nicht die mitfühlende Reaktion, die ich mir erhofft hatte. Sie hatten mich in der Hoffnung mitgenommen, dass ich Gras bei mir habe und sie hatten recht. Wir rauchten ein paar Joints und der Fahrer schob die Ozark Mountain Daredevils in sein Achtspurgerät. Das war meine Strafe. Meine Belohnung war, dass sie kein Wort mehr mit mir sprachen, bis sie mich an der Straße nach Kent raus ließen.
Ich fuhr in den nächsten paar Jahren weiter per Anhalter, aber nach dem Vorfall mit T. W. schien etwas anders geworden zu sein. Es war, als wäre ich irgendwie gezeichnet. Ich hatte immer damit gerechnet, dass die Menschen mir vertrauten, aber jetzt traute ich ihnen nicht mehr. Ein Fahrer stellte sich als Tony vor und ich fragte mich, warum er gerade diesen Namen gewählt hatte. Sie waren Lügner, jeder Einzelne. Mein Argwohn war eine Bake, welche genau die Menschen anzog, die ich hatte meiden wollen. Autofahrer begannen mich mitzunehmen, weil sie den Eindruck hatten, ich hätte mehr zu bieten als Dankbarkeit. Drogen waren die leichtere Übung; ich führte sie als kleine Aufmerksamkeit mit und bot sie an, sobald ich darum gebeten wurde. Was mich umhaute, waren die sexuellen Avancen. Welche Leistungen erwarteten sie denn bei fünfzig Meilen pro Stunde? Und warum mit mir, jemand Wildfremdem? Wenn ich an Sex dachte, malte ich mir jemanden aus, der vor mir stand und schrie: «Ich liebe dich so sehr, dass … ich nicht einmal mehr weiß, wer ich bin.» Mein imaginärer Boyfriend war unbestimmten Alters und unbestimmter Rasse, wichtig war nur, dass er verrückt nach mir war. Unser erstes Treffen würde unter bizarren Umständen stattfnden: bei der Taufe eines Kriegsschiffs, oder vielleicht brachte uns ein Hurricane in einem überfüllten Luftschutzbunker zusammen. Ich dachte daran, wie er um mich freite und an die Jahrestage danach, wenn sich unsere Adoptivkinder um unsere Füße versammelten und sagten: «Erzählt uns doch noch mal von euerm ersten Rendezvous.» Vermutlich hätten wir uns durchaus in einem Auto oder Lieferwagen kennenlernen können, aber nicht während ich per Anhalter fuhr; das musste schon etwas komplizierter sein. Vielleicht bekam der Fahrer meines Fahrzeugs einen Herzinfarkt und er war einer der Sanitäter im Krankenwagen. Wichtig war, dass ich nicht danach suchte; dadurch wurde es dann so romantisch.
«Machen Sie beim Trampen eigentlich ziemlich viel herum so?» Am unverblümtesten waren die Männer mit Ehering und Sicherheits-Kindersitzen, deren geheimes Doppelleben schnelle, anonyme Partnerschaften erforderte. In der Nähe von Atlanta hatte ich mit einem Ehepaar ein unerfreuliches Erlebnis. Um zwei Uhr nachts fuhren sie mit ihrem Cadillac von der Hüfte abwärts nackt durch die Gegend. Sie luden mich ein, die Nacht in ihrem Haus zu verbringen, wobei der Mann beiläufig masturbierte und die Frau sich die Haare kämmte. «Du kriegst auch was zu essen von uns», sagte sie. «Ich bin eine verdammt gute Köchin, da kannst du jeden fragen.»
Ein paar Tage später wurde ich bei Fayetteville von einem Mann über eine dunkle Schotterstraße gefahren, der sich erbötig machte, mir den Schädel zu zerquetschen wie eine Erdnuss. Das Kauern in Büschen war eine Art Hobby geworden und ich wusste, dass es an der Zeit war, mir einige sehr ernste Fragen zu stellen. Ich ging die acht Meilen zurück in die Stadt zu Fuß, bestieg einen Bus und fuhr nie wieder per Anhalter.
Ich habe immer noch nicht Auto fahren gelernt. Einmal war ich in Urlaub mit einem Freund, der auf den verlassenen Parkplatz eines Hamburger-Restaurants fuhr und verlangte, dass ich es wenigstens mal versuche. Nachdem er den subtilen Unterschied zwischen Gas und Bremse erläutert hatte, tauschten wir die Plätze, und er heulte protestierend auf, als ich beherzt in die zweispurige Straße einbog. Es war Sonntag und kein nennenswerter Verkehr. Ich überholte einen Jungen auf einem Fahrrad und eine alte Frau mit einer Schubkarre. Dass ich so nah an denen dran gewesen war, machte mich nervös,
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