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Nackt

Nackt

Titel: Nackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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er etwas Schlafendes, was sie zu wecken versuchte. Ich hatte mich selbst nie in Aktion gesehen, aber ein scharfes, stechendes Gefühl der Erkenntnis sagte mir, dass meine Mutter mich zutreffend nachgemacht hatte.
    «Unbezahlbar!», lachte Miss Chestnut und faltete die Hände vor Entzücken. «Das war ja sehr gut; Sie haben ihn perfekt drauf. Bravo, ich gebe Ihnen eine Eins plus.» «Gott allein weiß, wo er das her hat», sagte meine Mutter. «Jetzt ist er wahrscheinlich unten in seinem Zimmer und zählt seine Wimpern oder nagt an den Griffen seiner Kommodenschubladen. Um ein, zwei Uhr nachts ist er immer noch zugange, poltert im Haus herum, um den Wäschekorb zu pieksen oder sein Gesicht gegen die Eisschranktür zu pressen. Der Junge ist ein bisschen schief gewickelt, aber das wächst sich zurecht. Also, was meinen Sie, noch einen Scotch, Katherine?» Jetzt war sie also schon Katherine. Noch ein paar Drinks und sie kam wahrscheinlich mit in die Sommerferien. Wie leicht es für Erwachsene war, sich bei einer zweiten Runde Cocktails zu verbrüdern. Ich ging wieder ins Bett und stellte das Radio laut, um mich nicht von ihrem Gequackel ablenken zu lassen. Denn Miss Chestnut war hier bei mir zu Besuch und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Stimmen mich in die Küche riefen, damit ich dort unangenehm auffiel. Vielleicht musste ich am Besenstiel lutschen oder auf den Tisch steigen, um die Lampe anzufassen, aber was sie auch von mir verlangten, ich hatte keine Wahl, ich musste es tun. Das Lied, das gerade im Radio gespielt wurde, stellte nicht die geringste Herausforderung dar; der Text war so klar, als hätte ich ihn selbst geschrieben. «Well, I think I’m going out of my head», sang der Mann, «yes, I think I’m going out of my head.»
    Nach Miss Chestnuts Besuch versuchte mein Vater, mich mithilfe einer Serie von Drohungen zu kurieren. «Wenn du noch mal deine Nase gegen die Windschutz-Scheibe drückst, wirst du dir wünschen, es gelassen zu haben, das kann ich dir garantieren», sagte er, als er, den Schoß voller ungültiger Coupons aus einem anderen Bundesstaat, vom Einkaufen nach Hause fuhr. Es war mir praktisch unmöglich, auf dem Beifahrersitz zu sitzen, ohne die Nase gegen die Windschutzscheibe zu drücken, und nun, da die Aktion verboten war, wollte ich es mehr als alles andere auf der Welt. Ich versuchte, die Augen zu schließen, und hoffte, dadurch würde der Drang nachlassen, merkte aber, dass ich dachte, er sollte vielleicht die Augen schließen. Ich wollte die Nase gegen die Windschutzscheibe drücken; na und? Warum durfte er ohne Strafandrohung ständig sein Wechselgeld nachzählen und sich auf die Unterlippe beißen? Meine Mutter rauchte und Miss Chestnut massierte sich zwanzig-, dreißigmal am Tag die Hüfte –, und da durfte ich nicht die Nase gegen eine Windschutzscheibe drücken? Ich öffnete aufsässig die Augen, aber als er sah, dass ich mich auf mein Ziel zubewegte, stieg mein Vater voll auf die Bremse.
    «Na, hat das Spaß gemacht?» Er gab mir ein Golf-Handtuch, damit ich mir das Blut von der Nase wischen konnte. «Hat sich das gut angefühlt?»
    Gut war zu schwach für das, was ich fühlte. Ich liebte das Gefühl. Wenn mit dem richtigen Wumm ausgeführt, kann ein Schlag auf die Nase narkotische Wirkung haben. Das Berühren von Objekten stillte einen geistigen Juckreiz und war mit viel Bewegung verbunden: die Treppe hochrennen, durch das Zimmer laufen, einen Schuh ausziehen. Bald fand ich heraus, dass die gleichen Triebe auch innerhalb der Grenzen meines eigenen Körpers befriedigt werden konnten. Sich selbst auf die Nase zu hauen, war kein schlechter Anfang, aber ich verwarf diese Praktik wieder, als ich begann, die Augen tief in ihren Höhlen zu rollen, eine Übung, welche schnelle Schübe stumpfen, berauschenden Schmerzes hervorrief.
    «Ich weiß genau, wovon Sie sprechen», sagte meine Mutter zu Mrs. Shatz, meiner Lehrerin in der vierten Klasse, die gerade zu Besuch weilte. «Wenn er so wild mit den Augen rollt, ist es, als redete man mit einem Rotamint. Hoffentlich wirft er eines Tages einen schönen Gewinn aus, aber bis dahin, was meinen Sie, wie war’s mit einem weiteren Gläschen Wein?»
    «He, Kumpel», sagte mein Vater, «wenn du versuchst, den Inhalt deines Schädels zu betrachten, kann ich dir jetzt schon sagen, dass es Zeitverschwendung ist. Da gibt es nichts zu sehen und dieses Zeugnis beweist es.»
    Er hatte recht. Ich hatte die Nase gegen die Tür, den Teppich und

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