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Nackt

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Titel: Nackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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und niedrigen Verdienstmöglichkeiten zunichte gemacht worden, in denen bärtige Männer unter einer unbarmherzigen Mitternachtssonne um Bräute aus dem Versandhauskatalog Armdrücken spielten. Wenn dies das letzte Neuland war, das es zu erringen galt: bitte, bitte.
    Nachdem seine erste Ehe gescheitert war, reiste Jon auf der Suche nach Reichtum gen Fairbanks. «Aber das einzige Gold, das ich fand, wirbelte auf dem Boden einer Flasche.» Er verlor sein linkes Bein, als sich sein Auto überschlug und ihn gegen einen Baum nagelte. Dessen Partner wurde ein paar Monate später wegen Wundbrand amputiert. Es waren die Lufttaschen zwischen den Prothesen und den Beinstümpfen, welche beim Gehen diese Furzgeräusche hervorbrachten.
    «Da war ich also. Meine Beine waren nicht mehr aktuell, aber ich hatte immer noch meine Hände, und mehr brauchte man nicht, um nach der Flasche zu greifen. Ja,’s ist wahr, die beste Medizin der Welt wird von einem Burschen hergestellt, und der ist im ganzen Land unter dem Namen Jim Beam bekannt. Ich war ein ausgetrockneter Jammerlappen, mit nichts zu tun als sich zu besaufen und zu bemitleiden. Und genau das tat ich, bis ich einen Mann kennenlernte, der mir sagte, ich kann auch ohne ein Paar Stinkfüße gehen. Einen Mann, den ich zufällig auf dem von Menschen wimmelnden Korridor eines Krankenhauses der Veterans’ Administration kennenlernte. Einen Mann namens Jesus Christus. Er war zufällig eng mit meiner Frau befreundet und fand, wir sollten uns kennenlernen. Damals war sie natürlich noch nicht meine Frau, sondern nur eine weitere hübsche Krankenschwester mit einer tollen Garnitur Titten und einem Arsch, in dem man verlorengehen konnte. Jesus hat uns zusammengebracht. Dann sagte er uns, wir sollten heiraten und so schnell wie möglich aus Alaska verduften, und so, verdammte Scheiße, geschah’s.»
    Das mit der Jade kam später, irgendwo im Bundesstaat Washington, wo er auch Schneiden und Polieren lernte. «Da kommt dann das Können zur Geltung», sagte er. «Sieh dir diesen Stein an; ist doch nichts, oder? Nur ein staubiger Klumpen Nichts.» Jon stellte sich auf seine künstlichen Füße. «Und jetzt sieh dir dies an!» Er lüpfte ein Tuch von einem Tisch, und darunter kam ein halbes Dutzend glänzend polierter Jadetafeln zum Vorschein, die zu Uhren verarbeitet waren, wobei die batteriebetriebenen Minutenzeiger an Klecksen aus Goldfarbe vorbeiruckten, welche die Ziffern darstellen sollten.
    «Was ist das?», fragte er und hielt eins der größeren Modelle hoch.
    «Eine Uhr?»
    «Ja, natürlich ist das eine Uhr, aber was noch? Sieh dir doch mal die Form an. Na?»
    Ich versuchte, einen Sinn hineinzukriegen, aber ich sah günstigstenfalls eine Scheibe Brot, deren Ecken von Ameisen oder Mäusen abgekaut waren,
    «Das ist Oregon, du Blödi. Jeder kennt doch die Form von Oregon. Du bist vielleicht noch nicht lange hier, aber das ist keine Entschuldigung. Die Bauerntölpel in dieser Stadt werden mir die Babys aus den Händen reißen; so was hast du noch nicht gesehen! Ich berechne hundert Eier pro einmal Uhr, und das ist nichts, verglichen mit dem, was einige dieser Komiker für ihre Tierwelt-Schinken kriegen. Weihnachten steht vor der Tür, ich muss loslegen und anfangen, diese Mistdinger rauszuhauen, und weißt du, was? Du wirst mir dabei helfen!»
    Sobald er das sagte, wusste ich, dass er recht hatte. Die ganz große Möglichkeit hatte sich mir eröffnet, und ich sah keinen Grund, nicht hineinzutappen.
    Es war Jons Gewohnheit, jeden Arbeitstag mit einem Gebet zu beginnen. «Bin ich ganz allein in diesem Zimmer?», fragte er. «Mein Kumpel Jesus blickt herab und sagt: ‹Jon kenn ich, aber wer ist der liebenswerte Trottel mit dem spöttischen Grinsen auf dem Gesicht?› Los jetzt, knie nieder, zeig ein bisschen Dankbarkeit, dass du noch zwei Knie zum Knien hast.»
    Nachdem ich die gewünschte Körperhaltung eingenommen hatte, konnte er also anheben: «Hallo da oben, o Herr. Ich bin’s mal wieder, Jon, Dein alter Spezi. Wenn es nicht zu viel verlangt ist, fände ich es echt schön, wenn Du diesen respektlosen kleinen Dussel, der jetzt für mich arbeitet, im Auge behalten könntest. Gib mir die Geduld, dann werde ich mich anstrengen und ihm beibringen, was Du bedeutest, und was dies kostbare Jadegestein bedeutet, das Du mir gegeben hast. Und, hey, danke für den Kaffee, aber hast Du auch Zucker? HA!»
    «Man kann durchaus mit dem Herrn Witze machen», sagte er eines Morgens und entfernte sein

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