Nackt
richtend und strafend war, sondern einfach schmerzhaft langweilig. Christus war mir ein Mysterium, und Jon und seine Freunde waren begierig, die Lücken zu füllen. Es gab Tage, an denen ich mit der festen Überzeugung von der Arbeit kam, dass eine Belohnung von fünfhundert Dollar auf den ersten Menschen ausgesetzt war, der es schaffte, meinen Kopf in das nächste Gewässer oder Tauf-Planschbecken aus Plastik zu tunken. Ich war ein Klumpen umgeformten Lehms, umzingelt von einer Gilde eifriger Bildhauer. Dies waren die einzigen Menschen, zu denen ich – außer zu den Männern und Frauen, die mich jeden Tag mitnahmen, wenn ich zur Arbeit und wieder nach Hause fuhr – Kontakt hatte. Ich kam in die Werkstatt, hörte Radio Frohe Botschaft, wurde von Jon verfucht und von seinen vorbeischauenden Freunden und Nachbarn wieder gesegnet. Es war, als wäre man in ein fremdes Land geschickt worden, um in eine Sprache einzutauchen, die, irgendwie, mit der Zeit, die eigene werden sollte.
«Friede sei mit euch, Brüder.» – «Wie heißt es noch so schön in Johannes dreizehn?» – «Der König kommt!» Ich kämpfte wie verrückt dagegen an, aber meine einzige Alternative bestand darin, mit niemandem zu sprechen. Ich hatte das bereits versucht, und es hatte dazu geführt, dass ich Kühen Vorträge hielt, bis der Bauer mir sagte, das schade ihrer Verdauung. Dieser Gott war jemand, mit dem ich mich schließlich immer mehr beschäftigte, wenn ich in meinen immer kälter werdenden Anhänger zurückkehrte. Strafte Er mich mit dieser Mahlzeit, oder belohnte Er mich? Beobachtete Er mich aktiv, oder nahm Er mich als selbstverständlich hin, wie einen Fisch, den man nicht wahrnimmt, bis er mit dem Bauch nach oben im Aquarium dümpelt?
Im neugefundenen Geiste der Vergebung schrieb ich meinen Freunden zehn- bis fünfzehnseitige Briefe und wieder kam keinerlei Antwort. Es gelang ihnen nicht, eine Postkarte abzuschicken, während all diese Leute hier – die Halbergs, die Cobblestones, Sam und Charlotte Shelton mich brieflich zur Teilnahme am Erntedankfestessen bewegen wollten. Ich lehnte dankend ab, und einige nahmen es auf sich, mir einen Truthahn vor die Anhängertür zu le- gen. Unglücklicherweise war die Gabe mit Ananasscheiben aus der Dose dekoriert, aber immerhin, man hatte sich bemüht. Das Geschenk war mir peinlich, so peinlich wie die anderen. An jenem Tag stellte ich mich mehrmals im Schlafzimmer tot. Ein Auto näherte sich, ich rannte ins andere Zimmer und tat, als wäre ich nicht da. Ihre Güte beschämte mich und ihre Küche kasteite mich. Es schien eine direkte Beziehung zwischen Gottesfurcht und dem fehlgeleiteten Eifern für Marshmallows zu bestehen.
«Was hab ich dir gesagt?», sagte Jon. «Die besten Menschen der Welt und du hast sie direkt um die Ecke. Haben dir deine Freunde zu Hause einen Korb selbstgekochte Truthahnfüllung mitgebracht? Haben deine Leute dir ein Marshmallow-Tortelett oder ein ganzes Blech voll Brötchen gebacken? Natürlich nicht! Gekonnt hätten sie, aber sie haben nicht.» Er trat ans Fenster und rief zum Himmel empor: «Hey, o Herr, nur für den Fall, dass dieser Holzkopf es nicht gesagt hat: Danke für die Füllung!»
Hin und wieder stellte Jon seine Säge ab und wandte sich an mich: «Ein Freund von mir würde sich gern mal mit dir unterhalten. Er sagt, er versucht dich schon seit einiger Zeit zu erreichen, aber du nimmst seine Anrufe nicht entgegen.»
«Wie denn auch; ich hab ja kein Telefon.»
«Brauchst auch keins. Der Typ spricht dir direkt ins Herz hinein. Warum sprichst du nicht auch mal mit Ihm? Was hast du zu verlieren, deine gute Laune? Du bist doch jetzt auch nicht glücklich; das kann ich dir sagen. Du suchst und suchst und suchst nach etwas, was du doch direkt vor der kleinen rotzigen Nase hast. Du musst nach der Freude greifen! Sie wird dir nicht in den Schoß fallen, du dämlicher Sack, du musst sagen, dass du sie willst. Aber das ist es dann auch schon. Mehr ist nicht nötig.»
Mein Anhänger hatte fließend Wasser, aber es war nicht warm. Seit meiner Ankunft hatte ich mein Badewasser immer gekocht, aber in der letzten Novemberwoche war es so kalt geworden, dass das Wasser, sobald es mit der Wanne in Berührung kam, Zimmertemperatur annahm. Mein Heizungssystem bestand aus einem Heizlüfter, dem Herd und einem Toaster, was alles nicht viel nützte, wenn man nicht genau darüber schwebte. Am wärmsten schien es noch im Kühlschrank zu sein. Ich legte mich voll angekleidet ins
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