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Nackt

Nackt

Titel: Nackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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Bett und zog die Handschuhe nur aus, um zu baden oder um Kleingeld aus der Hosentasche zu holen. Weil das Studio geheizt war, verbrachte ich dort immer mehr Zeit. Jon ging um fünf, und ich blieb da, um auszufegen und an meinen eigenen Projekten zu arbeiten. Die Uhren hatten es mir nicht sonderlich angetan, aber Jade als solches konnte schön sein, wenn sie nicht zu Tode poliert wurde. Schmuck bedeutete zu viel Kleinarbeit und Buchstützen waren Zeitverschwendung. Ich wollte, beschloss ich, eine stash box machen, ein Kästchen für den Marihuana- oder Haschischvorrat. Jon warb für seine Uhren mit dem Verkaufsargument, sie seien sowohl nützliche Gebrauchs-, als auch Gesprächsgegenstände. Das Problem war, dass man bekifft sein musste, um tatsächlich über sie zu reden. Niemand sonst würde herumsitzen und die Tatsache würdigen können, dass um neun der große Zeiger auf Arlington und der kleine auf Eugene zeigte. Eine stash box wäre die Ergänzung, die eine solche Uhr erträglich macht. Sie müsste einfach und doch bezaubernd sein. Nicht so elegant, dass Besucher nach ihnen greifen würden, und nicht so luxuriös, dass die Besitzer ständig an all die anderen schönen Dinge erinnert würden, die sie sich leisten könnten, wenn sie nicht ihr ganzes Geld für Drogen ausgäben.
    Es gab Nächte, in denen ich bis Mitternacht arbeitete und dann auf dem Feldbett schlief, das Jon hinten im Studio zusammengeklappt stehen hatte. Kurz vor Sonnenaufgang wachte ich auf, durcheinander und ohne eine Ahnung, wo ich war. «Schlaf wieder ein», sagte dann eine Stimme. «Du bist in einem ehemaligen Kosmetiksalon, von batteriebetriebenen Uhren umgeben. Kein Grund zur Sorge.» Sprach da der Herr?
    Ich hatte über mein Leben immer in Begriffen wie «Glück» oder «Pech» nachgedacht, aber was war, wenn tatsächlich jemand das Kommando über unser Geschick hatte? Was war, wenn all unsere Pläne sich auf Null beliefen? Denken Sie an den Typ, der sein Leben lang für die Olympiade trainiert und einen Tag vorher auf einen Nagel tritt. Was ist mit diesen ganzen absolut netten, schwer schuftenden Menschen, deren Zuhause durch Feuer und Flut zerstört wird? Im Radio hörte ich mir eine Frau an. Verbrennungen bedeckten achtzig Prozent ihres Körpers. «Der Herr schickt uns nicht mehr, als wir ertragen können», sagte sie. Wie Jon war sie weit davon entfernt, verbittert zu sein. Sie klang praktisch wie in Ekstase, ihre Stimme war so hoch und melodisch, dass ich dachte, gleich bricht sie in Gesang aus. «Gott macht die eine Tür nicht zu, ohne eine andere zu öffnen.» War das der Friede, diese totale Vertrauensseligkeit und Selbstpreisgabe? Weil ich faul war, hatte ich die Philosophie übernommen, dass die Dinge einfach passieren. Es war viel einfacher, andere verantwortlich zu machen, als selbst Initiative zu ergreifen. War es Zufall, dass Jon mich beim Trampen mitgenommen hatte, als ich gerade erwogen hatte, nach Hause zurückzukehren? Könnte eine höhere Macht mich in diese kleine Stadt geschickt haben? Hatte der Herr es gefügt, dass ich stash boxes machte?
    Diese Gedanken machte ich mir eines frühen Morgens, als Jon erschien und sagte: «O Herr, heute scheine ich richtig zu handeln! Gestern Nacht habe ich gebetet, dieser faule Dussel möge einmal pünktlich sein, und hier ist er, und Kaffee ist auch schon fertig.» Er interessierte sich überhaupt nicht für meine Kästchen und tat sie als Zeit- und Materialverschwendung ab. «Was willst du denn da reintun? Drei Finger? Ein paar Dutzend Q-Tips? Die sind ja nicht mal groß genug für ein Kartenspiel. Wer braucht so was? Eine Uhr dagegen –, eine Uhr braucht jeder. Jemand kommt bei dir zu Besuch und fragt: ‹Bin ich zu früh dran?› Auf was kuckst du dann? Auf ein Kästchen? Natürlich nicht! Eine Dame sagt: ‹Im Rezept steht, ich soll diesen Pudding eine halbe Stunde lang kochen; da sehe ich mal auf mein Kästchen, ob er schon gar ist.› Lachhaft. Es kommt darauf an, den Leuten zu geben, was sie brauchen, du Idiot. Wenn du nach der Arbeit herumfummeln willst, nur zu. Die technischen Fähigkeiten hast du, und es hat mir Spaß gemacht, sie dir beizubringen. Das Können ist also da. Der Grips? Da würde ich mich an deiner Stelle lieber etwas bedeckt halten. In der Abteilung wirst du den Mann da oben um Hilfe bitten müssen.» Er hielt inne, um sich nachzuschenken. «Hmm, schmeckt dieser Kaffee gut, stimmt’s? Danken wir unserem Freund, Jesus, dafür, dass er die Bohnen gespendet

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