Nacktes Land
wenn nicht gleich 'ne ganze Horde da herumtrampelt und alle Spuren zertritt.«
»Woher weiß ich, wo ihr seid?«
»Wir machen ein Rauchfeuer. Wenn du landen sollst, schreiben wir's mit Steinen auf die Erde.«
»Und wenn nicht?«
»Dann flieg am nächsten Tag noch mal die gleiche Strecke ab. Allerdings glaube ich nicht, daß wir dich dann noch brauchen werden.«
»Gibt's Scherereien mit den Eingeborenen?«
»Ich glaub' schon.«
Gilligan stieß einen leisen Pfiff aus und deutete mit dem Daumen zur Tür.
»Willst du's ihr sagen?«
»Erst wenn ich muß. Erzähl's rum, wenn du zurückkommst, aber nur ganz allgemein. Ich weiß ja selbst noch nichts Näheres.«
»Mach' ich, Neil. Und viel Glück.«
Sie schüttelten sich die Hände und traten in die Sonne hinaus, wo Mary gerade die letzten Riemen an den Satteltaschen festzurrte, während Billy-Jo die Hufabdrücke von Lance Dillons Pferd begutachtete. Gilligan verabschiedete sich von Mary, Adams begleitete ihn zum Flugzeug und sah ihm beim Start zu. Erst als er zurückkam, fiel ihm auf, daß nicht zwei, sondern drei Pferde gesattelt waren und das Packpferd auch Decken, Bodenplanen und Wassersäcke für drei trug. Noch bevor er sich dazu äußern konnte, sprudelte Mary los: »Ich komme mit Ihnen, Neil. Lance ist mein Mann, und – und ich glaube, ich würde verrückt, wenn ich hier auf Nachricht warten müßte.«
Im ersten Moment wollte er heftig protestieren. Seine ganze Erfahrung – mit dem Land, mit Frauen und mit sich selbst – warnte ihn vor solch einer törichten Gefahr. Statt dessen grinste er nur und sagte: »Nehmen Sie lieber noch etwas Warmes mit. Die Nächte sind verdammt kalt. Packen Sie auch 'ne Salbe ein – Sie werden sattelwund, bevor Sie sich's versehen.«
»Danke, Neil.«
Sie schenkte ihm ein zaghaftes, dankbares Lächeln und lief ins Haus. Neil Adams zuckte die Achseln und ging daran, die Sattelgurte und das Gepäck zu überprüfen, während der Teufel in seinem Innern angesichts dieser widerstandslosen Kapitulation sardonisch grinste.
Lance Dillon war der Verzweiflung nahe. In demselben Augenblick, als er aus seinem Versteck hervorgesprungen war und versucht hatte, sich dem Flugzeug bemerkbar zu machen, wurde ihm bewußt, daß dies ein fataler Fehler gewesen war. Selbst wenn der Pilot ihn gesehen haben sollte, so wäre ihm Dillons Situation kaum begreiflich gewesen; und hätte er begriffen, so hätte er im Moment auch nichts ändern können. Die nächste sichere Landepiste lag zwanzig Meilen entfernt bei der Farm, und kein Pilot auf dieser Welt würde eine Landung in den Sümpfen riskieren. Mit seiner unbedachten Handlung hatte Dillon nur sinnlos seine Kräfte verschwendet und seinen Vorsprung aufgegeben, den er während der Nacht gewonnen hatte.
Jetzt waren ihm die Verfolger mit Sicherheit auf den Fersen. Er hatte sie zwar nicht gesehen, aber er zweifelte nicht daran, daß sie ihn bemerkt hatten. Nur zu bald würden sie ihn in seinem Versteck aufstöbern. Er saß jetzt zwischen dem Gras und dem Lilienweiher in der Falle, ein bleicher Frosch im Schlamm, der gleich gefangen und in ein Glas gesteckt werden würde.
Hilfloses Schluchzen schüttelte ihn, und die ersten Tränen seit seiner Kindheit quollen aus seinen Augen. Von Selbstmitleid überwältigt, konnte er kaum dem Drang widerstehen, sich einfach hinzulegen und den tödlichen Speer zu erwarten, der ihn erlösen würde. Er begrub das Gesicht in seinen schlammverkrusteten Armen und weinte wie ein kleines Kind.
Das Weinen erleichterte ihn, und nach einer Weile begann er die Geräusche des Sumpfes in sich aufzunehmen: das Zirpen der Grillen, das tiefe Brummen der Insekten, das Rauschen der Gräser, hin und wieder das Quaken eines Frosches oder das Gurren eines pickenden Sumpfhuhns. Er stellte einen Rhythmus fest, der sich in seiner beruhigenden Gleichmäßigkeit anhörte, als ob das riesige Land schnarchend und schnaufend im Mittagsschlaf döste.
Unversehens wurde der Rhythmus unterbrochen. In einiger Entfernung ertönte zu seiner Linken ein schrilles Quietschen, und wenig später flatterte ein großer Jabiruvogel schwerfällig über seinen Kopf hinweg. Er wußte, was das hieß und wurde mit einem Schlag wieder in die Realität zurückversetzt. Die Jäger hatten den Vogel aufgescheucht und würden auch bald den Mann aufstören. Verzweifelt versuchte er, einen klaren Gedanken zu fassen. Fluchtweg gab es keinen und außerdem hatte er keine Waffe zur Hand außer den schwankenden
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