Nacktes Land
Mondlandschaft wirkten die beiden Männer durch die kalten Farben, die scharfen Konturen und die langen verzerrten Schatten. Mary empfand plötzlich einen lebhaften Groll gegen sie. Da standen die Herren der Schöpfung und hielten Rat.
Die Frau hatte abzuwarten, solange es denen gefiel; wie stark ihr persönliches Interesse am Ergebnis sein mochte, spielte überhaupt keine Rolle.
Da fiel ihr etwas Sonderbares auf: Schwerpunkt und Gleichgewicht der Szene schienen sich verschoben zu haben. Obgleich Billy-Jo im Staub kniete und Adams aufrecht über ihm stand, war der Eingeborene unversehens zum Chef aufgerückt.
Auf dem ganzen Weg hierher hatte sie ihn kaum beachtet. Er äußerte jene typische Zurückhaltung, die der Farbige in Gegenwart des weißen Mannes an den Tag zu legen pflegt – eine traurige, ergeben lächelnde Unterwerfung, die alles akzeptierte, was auch immer der weiße Boss zu tun beliebte. Billy-Jo war nicht mehr jung. Sein Haar war grau und sein Gesicht von tiefen Falten durchzogen. Er trug Reitstiefel, Drillichhosen und ein geflicktes kariertes Baumwollhemd. Die Schultern hielt er gekrümmt, als schämte er sich, in den abgelegten Kleidern des weißen Mannes gesehen zu werden. Aber hier in dieser Wildnis schien er zu neuer Größe und Autorität emporzuwachsen. Seine Gesten waren beredt und ausladend. Wenn er sprach, hörte Adams aufmerksam zu, und wenn er sich erhob, fiel sein riesenhafter Schatten auf den Staub.
Trotz Müdigkeit und schlechter Laune rückte Mary mit ihrem Pferd näher heran, um die Worte der Männer hören zu können. Sie hatte noch keine zwölf Schritte getan, als Adams aufblickte und sie anschrie: »Bleiben Sie, wo Sie sind! Wir haben schon genug Schwierigkeiten. Die Viehhirten sind im ganzen Gelände herumgetrampelt.«
Sie war wie ausgedörrt von Durst und Staub. Jeder Muskel tat ihr weh, und diese männliche Grobheit gab ihr den Rest. Sie zügelte ihr Pferd so straff, daß es sich auf der Hinterhand aufrichtete, und schimpfte zurück: »Sie suchen schließlich nach meinem Mann! Vergessen Sie das nicht!«
Er erwiderte nichts, sondern salutierte ironisch und beugte sich wieder zu Billy-Jo hinunter, der sich, geduckt wie ein schnüffelnder Hund, auf das gegenüberliegende Ende des Tales zubewegte.
Augenblicklich bereute sie ihren Zorn, und sie kam sich klein und lächerlich vor. Verlassenheit überfiel sie, ein Gefühl von Versagen und Nutzlosigkeit, als wäre sie dazu geschaffen, eine weniger reine Luft zu atmen und ungesundere Nahrung zu sich zu nehmen als diese kräftigen Einheimischen hier. Sie fühlte sich wie ein exotischer Fisch in einem Aquarium, voller Sehnsucht nach dem freien Leben in den Flüssen. Es war ihr altes Problem, einmal in neuer Gestalt; aber diesmal konnte sie nicht Lance dafür verantwortlich machen, sondern allein sich selbst, Mary Dillon, kreuzlahm und sattelwund, anderen eine Last und für sich selbst eine einzige Enttäuschung.
Zwanzig Minuten später hatten Adams und Billy-Jo ihren Rundgang durch das Tal beendet; sie stiegen auf und ritten zu ihr zurück. Adams finsterer Blick verriet äußerste Besorgnis, und seine Stimme klang sonderbar sanft.
»Tut mir leid, daß wir Sie so herumstehen ließen, Mary. Es war nicht ganz einfach, die Spuren ausfindig zu machen.«
Billy-Jo grinste verächtlich. »Viehhirten dumm, Missus. Laufen überall rum. Zertrampeln Boden wie bei Viehmusterung.«
»Haben Sie wenigstens gefunden, wonach Sie gesucht haben, Neil?«
Er nickte ernst.
»Uns ist jetzt alles klar, Mary. Die Myalls sind im Tal gewesen. Fünf, sechs, vielleicht auch mehr. Sie haben den Bullen mit Speeren durchbohrt und seine Hinterbeine mit Keulen gebrochen. Dahinten haben sie Feuer gemacht und einen Teil von seinem Fleisch gebraten.«
»Und Lance?«
»Lance ist auch hier gewesen. Sein Pferd hat einen abgenutzten Hinterhuf. Er ist im Galopp herangeritten, und das Pferd hat sich zweimal aufgebäumt. Er muß die Myalls überrascht haben.«
»Und sie haben ihn dann verwundet – so ist es doch, oder?«
»Sieht so aus. Den Spuren nach ist er einmal quer durch das Tal und dann wieder hinausgaloppiert. Vermutlich hat ihn ein Speer erwischt, denn er ist weder vom Sattel gefallen noch heruntergezogen worden.«
Scham und eisige Furcht wallten in ihr auf, und ihre Stimme zitterte, als sie fragte: »Und was dann?«
»Das wissen wir nicht. Wir wollen am Ausgang der Schlucht seine Spur aufnehmen und ihr von da aus folgen. Vielleicht haben die Hirten etwas
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