Nacktes Land
unendlichen Qualen, wie eine Schnecke am Boden entlangzukriechen, während die Spitzen der grünweißen Halme unendlich hoch über seinem Kopfe wogten.
Menyan, das Mädchen mit dem Mondnamen, die jüngste Frau des Zauberers Willinja, sammelte Jamswurzeln in der Flußniederung. Sie war allein, was ungewöhnlich war; denn normalerweise arbeiteten die Frauen in Gruppen, manchmal auch unter der Obhut eines alten Mannes, damit sie vor herumziehenden Burschen sicher waren, die sie manchmal ihren Männern zu entführen versuchten. Bis auf einen kleinen Lendenschurz aus Känguruhfell hockte sie vollkommen nackt auf ihren Fersen und brach die braunen Knollen mit einem spitzen Stock heraus. Eine einfache Arbeit – der Boden war weich, und die reifen Wurzeln wuchsen dicht unter der Oberfläche. Sie ließ ihre Gedanken schweifen und genoß das seltene Alleinsein und die Wärme der Abendsonne auf ihrer Haut.
Nach der Rechnung der Weißen war sie fünfzehn Jahre alt, und seit ihrer ersten Periode gehörte sie Willinja; doch bis jetzt war sie noch kinderlos. Ihre Brüste waren klein, und ihr Bauch war flach, und sie bemerkte noch keine Anzeichen jener Schmerzen oder Schwellungen, welche – so hatten es die älteren Frauen sie gelehrt – ankündigten, daß ein Kind in sie hineingeträumt war.
Aus diesem Grund arbeitete sie auch allein. Die älteren hatten sich über sie lustig gemacht. Willinjas andere Frauen hatten sie als unfruchtbar und nutzlos verspottet, bis sie sich mit ihnen gestritten hatte und weggegangen war, um ihren Sticheleien zu entfliehen. Die wußten doch genausogut wie sie selbst, daß es nicht ihre Schuld war und daß alte Männer eben nicht so viele Kinder zeugten wie junge; aber der Spott hatte sie doch empfindlich getroffen.
Weder als Stammesmitglied noch als Person war sie vollwertig. Genau wie ein Mann nicht anerkannt wurde, bevor er nicht beschnitten war, die Feuerprobe bestanden und eine Frau genommen hatte, so wurde eine Frau nicht voll in das heilige Leben einbezogen, bevor sie nicht ein Kind geboren hatte.
Sie wußte, manche Frauen hatten diesen letzten Schritt beschleunigt. Sie hatten sich Liebhaber genommen, die Kinder in sie hineinträumten, heimlich oder nach den letzten Tänzen eines großen Corrobboreefestes. Einige wurden auch an einen Verwandten ausgeliehen oder dienten als Bezahlung für eine Schuld, und aus solchen Verbindungen entstand zuweilen schneller ein Kind als von einem alten Gatten. Doch bis jetzt hatte Willinja sie für sich allein behalten, außerdem fürchtete sie sich vor seiner Allwissenheit, welche die Geister ihm verliehen hatten.
Trotzdem, sie war nicht wirklich unglücklich. Noch Kind genug, um Sorgen schnell fortzuscheuchen, war sie doch auch schon Frau genug, um zu hoffen, daß eines Tages ein jüngerer Mann sie von Willinja loskaufen oder auf die übliche Art entführen würde, was ihm später durch Zahlung eines angemessenen Preises vergeben werden konnte. Wenn sie wählen dürfte – und innerhalb bestimmter Grenzen stand einer Stammesfrau die Wahl durchaus zu –, würde sie sich für Mundaru entscheiden, den Mann des Büffels.
Er war so voller Kraft und Vitalität, ganz anders als die übrigen Burschen. Sie spürte sein heißes Begehren. Bekäme er Gelegenheit dazu, er würde sicher versuchen, sie zu nehmen. Aber sie wußte, daß sie ihm nicht gehören durfte. Was die Männer an ihren verborgenen Plätzen taten oder sagten, war zwar streng geheim; trotzdem ahnten die Frauen sehr wohl, daß Mundaru jetzt ausgestoßen und für immer von der Stammesgemeinschaft ausgeschlossen war. Eine Frau mochte den Zorn ihres Gatten in Kauf nehmen, wenn sie sich mit einem jüngeren Mann vereinigte; aber kaum eine würde es wagen, ein Stammesgebot zu übertreten. Mit Mundaru eine Verbindung einzugehen wäre soviel wie die Ehe mit einem Toten.
Bei diesem Gedanken fröstelte sie; sie wollte nichts mehr davon wissen. Es gab noch andere Männer, die sie begehrten und auch mutig genug waren, sie zu nehmen. Leise summte sie das Lied vor sich hin, mit dem die Frauen ihre Geliebten zu rufen pflegten. Plötzlich raschelte es im Gras hinter ihr. Ein Schatten fiel auf ihren bloßen Rücken und auf die warme Erde unter ihren Händen. Sie sah auf. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen, und ihr Mund öffnete sich zu einem lautlosen Schrei, als Mundaru, für den rituellen Mord bemalt und bewaffnet, sich über sie beugte.
Am Ausgang der Schlucht stieg Billy-Jo vom Pferd und ging voraus,
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