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Nacktes Land

Titel: Nacktes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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Eingeständnis des Scheiterns. Zwanzig Jahre Mühe, mit den Eingeborenen auszukommen, wären umsonst gewesen.
    Ruhig sagte er zu Mary: »Ich gehe jetzt mit Billy-Jo hin und rede mit ihnen. Sollte es Ärger geben, reitest du wie der Teufel zum Fluß und holst die Viehtreiber her.«
    »Ja, Neil.«
    »Aber bleib erst einmal hier. Beweg dich nicht, ehe sie nicht den ersten Speer geworfen haben.«
    »Glaubst du …?«
    »Tu, was ich dir sage.«
    »Ja, Neil.«
    »Billy-Jo!«
    »Ja, Boss?«
    »Wir gehen zu Fuß.«
    Der Spurenleser zuckte die Achseln und stieg vom Pferd. Neil Adams schob mit einer ostentativen Geste seine Flinte in die Satteltasche zurück, dann stieg auch er ab, und langsam schritten sie beide auf die bemalten Männer zu, die Arme weit nach vorn gestreckt, mit nach oben gerichteten Handflächen, zum Zeichen, daß sie in friedlicher Absicht und ohne Waffen kamen.
    Kreidebleich und voller Angst verfolgte Mary Dillon die Situation. Die Kadaitjamänner blickten ihnen entgegen und maßen ihre Schritte mit den Augen ab. Ihre Finger umklammerten fest die Waffen, und die Muskeln waren gespannt. Sie waren jeden Moment zum Wurf bereit. Zwanzig Meter vor den Pfählen blieben Adams und der Späher breitbeinig mit vorgestreckten Armen stehen. Die Feindseligkeit der anderen wirkte wie eine Mauer. Adams befeuchtete seine trockenen Lippen und sagte zu Billy-Jo: »Sag ihnen, wir kommen in friedlicher Absicht; und sag ihnen auch, daß wir wüßten, was mit Mundaru geschehen ist. Außerdem wüßten wir, daß er Willinjas Gattin vergewaltigt und umgebracht hat. Sag ihnen, wo die Leiche ist und daß sie sie mit zum Lager nehmen sollen.«
    Der Spurenleser brummte zustimmend, und nach einem Augenblick der Sammlung erhob er seine heisere Stimme wie ein Stammesprediger. Sie klang hoch und dramatisch durch die Stille, dann rollte sie in langen, widerhallenden Sätzen, begleitet von eindringlichen und weit ausladenden Gebärden. Während er sprach, sah Adams, wie die Kadaitjamänner sich gegenseitig mit fragenden Blicken anschauten, und er spürte, daß ihre Feindseligkeit ein wenig nachließ. Als Billy-Jo seine Rede beendet hatte, tuschelten sie eine Weile leise miteinander; schließlich legte einer seine Speere auf die Erde, trat in den freien Raum vor und begann zu sprechen. Billy-Jo übersetzte für Adams: »Mundaru tot. Gefressen von Geisterschlange. Bleibt an Geisterplatz. Ist schwarzer Mann Sache. Weißer Mann nicht anrühren.«
    »Sag ihnen, wir verstehen, daß das Sache des schwarzen Mannes ist. Sag ihnen, Boss Dillon wird vermißt und wir glauben, Mundaru hat ihn getötet. Darum ist das jetzt auch Sache des weißen Mannes. Ich möchte zu ihrem Geisterplatz gehen und mit Mundarus Geist reden. Wenn sie versuchen, mich daran zu hindern, gibt es Ärger für sie und ihren Stamm. Sag, daß wir Willinja einen Dienst erwiesen und versucht haben, seiner Frau zu helfen. Er steht in unserer Schuld. Er wird wütend werden, wenn sie es ihm nicht ermöglichen, seine Schuld zu begleichen.«
    Billy-Jo nahm das Thema wieder auf, schmückte es, wie unter seinen Leuten üblich, weitschweifig aus und übertrug die pragmatische Logik des weißen Mannes in die verwickelte Denkweise der Eingeborenen. Adams verstand die Sprache gut genug, um mitzubekommen, daß der Späher großes Gewicht auf das persönliche Ansehen legte, das der Polizist bei den Stämmen genoß. Er betonte wieder und wieder, daß Adams stets seine Schulden beglichen, daß er sich niemals in ihre Rechte und Gebräuche eingemischt, daß er nie mit der gespaltenen Zunge des Lügners gesprochen, daß er die Eingeborenen vor plündernden Herumtreibern geschützt habe und daß seine Freundschaft fest und seine Rache furchtbar sei.
    Die Antwort des Kadaitjamannes war eindeutig und klar. Er verstand all die Forderungen des Polizisten, doch Mundarus Leben gehörte den Geistern, und der weiße Mann durfte die Geisterstätte nicht betreten.
    Nachdem ihm Billy-Jo diese Antwort übersetzt hatte, fand sich Adams in einer peinlichen Zwangslage. Die Myalls wußten, daß der weiße Mann die Opfer von Stammestötungen zu retten und auf seine Art zu verhören versuchte. Sie kannten aber auch die ungeschriebene Abmachung, daß ihre eigenen geheimen Plätze respektiert werden mußten. Eine Mißachtung dieser Vereinbarung würde seinem Ansehen nur schaden und ihm nichts weiter einbringen als einen Speerstoß zwischen die Rippen. Er wollte Zeit gewinnen.
    »Frag sie, Billy-Jo, ob sie wissen, daß

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