Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nacktes Land

Titel: Nacktes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
Vom Netzwerk:
angepaßt.
    Einen Schritt vor dem Bannkreis der bemalten Pfähle packten sie Mundaru wieder und drehten seinen Kopf hin und her, damit seine leblosen Augen das Symbol all jener Macht erblickten, welche er beleidigt hatte. Da versuchte er, angesichts des unabwendbaren Todes, sich zum erstenmal zu wehren. Gleichgültig, wie lange er noch lebte, sein letzter Kampf begann jetzt und hier. Die anderen hatten kein Mitleid mit ihm. Gemeinsam hoben sie ihn auf und schleuderten ihn zwischen die Blätter und sahen zu, wie ihn die Erde verschlang.
    Noch hing das Echo seines letzten Verzweiflungsschreis in der Luft, als der Aufprall dumpf widerhallte; und als sie sich zum Gehen wandten, sahen sie die Reiter, die scharf auf sie zugeritten kamen.
    Der Schrei weckte Lance Dillon aus fiebrigem Halbschlaf. Er lag am Rande des Wasserbeckens; der eine Arm baumelte taub und schlaff ins Wasser, der andere umklammerte noch immer den spitzen Stalaktiten. Als er die Augen öffnete, sah er zunächst nur einen verschwommenen Lichtfleck; aber als sein Blick klarer wurde, erkannte er, daß schräg durch den Höhleneingang die Sonne hereinschien. Es war also Morgen. Er hatte die Nacht überstanden. Er fragte sich, ob er auch den Mittag noch erleben würde. Vorsichtig rührte er sich auf seinem steinigen Podest und versuchte, wieder Leben in seinen tauben Arm zu bringen. Durch die Bewegung geriet er gefährlich nahe an den Beckenrand, und dabei bekam er genau die Stelle ins Blickfeld, wo der Sonnenstrahl den Sandboden der Höhle erhellte.
    Panischer Schrecken durchfuhr ihn. Auf allen vieren kauerte dort die Gestalt eines dunkelhäutigen Myalls im Sonnenlicht. Der hob gerade seinen Kopf, und Dillon erkannte die vorstehenden Augäpfel und den grinsend verzogenen Mund über den weißen Zähnen. Er wußte sofort, wer es war. Das war der Mann, der ihn im Tal verletzt, der die Verfolger zwei Nächte und einen Tag auf seine Spur gehetzt und der ihn endlich hier gefunden hatte, wo er eingeschlossen den Tod erwartete. Der Myall bewegte sich und verließ den hellen Lichtfleck; er ließ den Kopf sinken, sein Körper verschmolz mit der Dunkelheit, und Dillon verlor ihn eine Zeitlang aus den Augen. Er hörte nur noch die kurzen heftigen Atemstöße, als der Myall sich der niedrigen Kalksteinsäule näherte. Jede Sekunde mußte er aufstehen, um sein Opfer von dem Podest zu stoßen.
    So wollte Dillon nicht sterben, gefangen in einem dunklen Loch wie eine Ratte. Ein instinktiver Überlebenswille hielt jeden Nerv in seinem Körper hellwach. Seine Finger schlossen sich fest um den steinernen Dolch, und mit einer ungeheuren Willensanstrengung raffte er seine letzten Lebenskräfte zusammen.
    Er stemmte sich auf die Knie, schwenkte seinen Körper herum, so daß seine Beine über die Kante des Beckenrandes hingen, bis er schließlich mehr oder weniger aufrecht dasaß. Vor Anstrengung brach ihm der Schweiß aus, und er stöhnte laut; kleine Steinsplitter lockerten sich und fielen ins Wasser. Als der Schwächeanfall vorüber war, wunderte er sich, warum der Myall ihn nicht angegriffen hatte, dessen keuchender tierischer Atem ihm näher schien als vorher.
    Dillon wischte sich den Schweiß ab, der in seinen Augen biß, und spähte in die dunklen Nischen der Höhle nach seinem Gegner. Jetzt sah er ihn, einen Schritt entfernt vom Fuß der Plattform, wie er heftig schnaufend im Sand kniete. Ein schwacher Lichtstrahl erhellte die Umrisse von Schultermuskeln und Wirbelsäule.
    Jetzt mußte er es tun. Wenn der Myall seinen Kopf hob, war es zu spät. Dillons Finger krampften sich um den dicken Knauf des Stalaktiten, und mit beiden Händen stieß er ihn in den Körper des Myalls.
    Er fühlte, wie sich die Spitze tief in das Fleisch bohrte, er hörte den Kalkstein unter seinem Gewicht knirschen, dann schlug die Finsternis wie eine Welle über ihm zusammen und vermischte sich mit dem Geruch des Todes.

9
    Genau einen Speerwurf weit von den Kadaitjamännern machte Neil Adams halt. Aufrecht saß er im Sattel und beobachtete die bemalten Männer, die sich lauernd und gespannt in einer Reihe vor dem Eingang zu der geweihten Stätte aufgestellt hatten. Ihre Speere steckten in den Einkerbungen der Wurfstöcke – eine einzige unbedachte Bewegung, und augenblicklich würden sie die Reiter umzingeln und niederschlagen. Zwar könnte man sie mit Gewehrschüssen abwehren; doch das bedeutete Mord, und nach den ungeschriebenen Gesetzen der Territoriumspolizei war das Barbarei, ein

Weitere Kostenlose Bücher