Nacktes Land
Mundaru den großen Bullen getötet hat und daß er Boss Dillon gejagt hat, um auch ihn zu töten.«
Ja, das wußten sie, hieß die Antwort.
»Wissen sie, was dem weißen Mann zugestoßen ist?«
Nein, das wußten sie nicht. Aber wenn er tot war, so war die Schuld durch Mundarus Tod gesühnt.
Adams holte tief Atem. Er spielte jetzt – mit seinem eigenen Leben, mit dem von Billy-Jo und vielleicht auch mit Marys.
»Dann sag ihnen folgendes: Ich glaube, daß Mundaru den weißen Mann bis hierher verfolgt und in die Geisterhöhle getrieben hat oder daß er ihn getötet und seine Leiche dort versteckt hat. Wenn das stimmt, wird sein Geist nicht ruhen, sondern ewig an dieser Stelle herumwandern und die Zauberkraft des Stammes zerstören …« Und auf seine sarkastische Art fügte er leise hinzu: »Um Christi willen, mach deine Sache ja gut!«
Der Späher warf ihm einen kurzen zweifelnden Blick zu und richtete sich wieder an die Jäger. Diesmal klang die Antwort des Myalls nicht mehr so feindselig, sondern eher verhandlungsbereit.
»Er sagt, du nicht sicher, Boss. Du gehen runter, vielleicht kommen rauf mit Boss Dillon, vielleicht nicht. Aber du nicht Mundaru nehmen. Mundaru gehören Geisterschlange.«
Trotz der Gefährlichkeit dieser Situation empfand Adams ein ironisches Vergnügen darüber, wie sie ihn zu überrumpeln versuchten. Sie wollten Mundaru unter allen Umständen für sich behalten. Er verstand auch, warum. Sie waren die auserwählten Scharfrichter. Sie mußten eine vollzogene Hinrichtung melden – andernfalls würden sie selbst bestraft werden. Um zu erreichen, was er wollte, mußte er das Gesetz zu ihren Gunsten beugen; denn solange ihre Speere auf seine Brust gerichtet waren, blieb ihm keine andere Wahl.
Er wandte sich zu Billy-Jo: »Sag ihnen, ich sei einverstanden. Sag ihnen, sie sollen jetzt gehen und das Mädchen holen. Ich werde Mundaru in der Geisterhöhle lassen. Gib ihnen eine Botschaft an Willinja mit, daß ich ihn bei Sonnenaufgang aufsuchen werde.«
Billy-Jo übersetzte, und die Antwort kam umgehend.
»Sie wollen bleiben, Boss. Sehen dich runtergehen. Sehen dich raufkommen.«
Adams Gesicht verfinsterte sich vor verhaltenem Zorn.
»Ich habe sie nie belogen. Wenn sie mir nicht glauben, sollen sie mich töten!«
Noch während Billy-Jo sprach, riß Adams sein Hemd auf und schritt, ihnen seine nackte Brust bietend, auf sie zu. Dies war eine Geste, die bei den Primitiven üblich war: Bestätigung der Männlichkeit durch Prahlerei und Provokation. Drei Schritte vor dem Sprecher der Kadaitjamänner hielt er an, und der bemalte Mann und der Polizist standen sich herausfordernd gegenüber und blickten sich mit zusammengekniffenen Augen gegenseitig in die versteinerten Gesichter. Dann knurrte der Kadaitjamann zufrieden und wendete sich ab. Adams tat dasselbe. Er hatte das Spiel gewonnen, ohne daß sein Gegner sein Gesicht verlieren mußte.
Die Kadaitjamänner brachen auf, liefen zurück zum Grasland und auf den Fluß zu. Adams und Billy-Jo gingen zu den Pferden. Adams' Hände zitterten, als er in den Sattel kletterte und die Zügel ergriff. Mary fragte ihn ängstlich: »Du hast dort so klein und einsam ausgesehen. Worum ist es gegangen?«
Er zuckte mit den Achseln und grinste. »Ein reiner Handel. Die wollten mich nicht an ihren heiligen Ort lassen. Ich hab' sie überredet – oder vielmehr Billy-Jo.«
Der dunkle Späher kicherte leise.
»Boss Adams großer Spieler, Missus. Vielleicht gewinnen, vielleicht kriegen ganzen Bauch voll Speere.«
»Vielleicht.«
Adams ging gleichgültig über das Thema hinweg, doch Marys Anteilnahme und Bewunderung wärmten ihn wie Whisky und gaben ihm etwas von seinem Selbstvertrauen zurück, das er am Flußufer eingebüßt hatte. Als sie über das offene Land zu dem großen Flaschenbaum galoppierten, fragte sie ihn ernsthaft: »Hast du mir weiter nichts mitzuteilen, Neil?«
»Über deinen Mann? Nichts. Wir wissen nur, daß Mundaru da unten in der Höhle ist. Wir haben gesehen, wie sie ihn hineingestoßen haben. Es besteht die Möglichkeit, daß er noch lebt – es ist unsere einzige Chance.«
»Ich hatte Angst um dich, Neil. Als ich dich auf die Speere zugehen sah, dachte ich – ich dachte, wenn dir etwas passierte, könnte ich es nicht ertragen.«
Er versuchte, einen Scherz zu machen.
»Ist ja schrecklich, was du alles aushalten mußt.«
»Mach dich nicht lustig über mich, Neil.«
»Mach' ich ja gar nicht, Mary. Ich wollte dich bloß daran
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