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Nacktes Land

Titel: Nacktes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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erinnern, daß uns noch einiges Unerfreuliche bevorsteht.«
    »Ich weiß. Ich denke die ganze Zeit daran.«
    Ein paar Meter vor den bemalten Pfählen hielten sie an. Adams stieg vom Pferd und übergab Billy-Jo die Zügel. Der Eingeborene starrte ihn fragend an. Adams erriet seine unausgesprochenen Gedanken.
    »Ich geh' erst mal allein, Billy-Jo. Die Myalls beobachten uns bestimmt, um zu sehen, was wir machen. Ich muß mein Versprechen halten. Wenn Mundaru noch lebt, schicke ich dich hinunter, um mit ihm zu reden. Warte hier mit Mrs. Dillon.«
    Er kramte in der Satteltasche und brachte eine Taschenlampe zum Vorschein. Er knipste sie probehalber an und ging auf die zwischen den Blättern sichtbare Öffnung zu. Marys Stimme hielt ihn zurück.
    »Bitte sei vorsichtig, Neil.«
    Er lachte und winkte ihr beruhigend zu.
    »Das ist doch bloß eine Höhle voller Knochen und Fledermäuse. In ein paar Minuten bin ich zurück.«
    Er stand noch einen Moment und leuchtete mit der Lampe in das Gewölbe hinein, dann trat er auf die abschüssige Sandrampe und war im nächsten Augenblick nicht mehr zu sehen. Eine schreckliche Sekunde lang schien es Mary Dillon, als wäre er in einer tiefen geheimen Hölle verschwunden, aus der er niemals zurückkehren würde.
    Auf halbem Wege die Schräge hinunter blieb Adams stehen, lauschte und leuchtete mit seiner Taschenlampe in das Dunkle. Nichts war zu hören als das leise Knirschen des Sandes unter seinen Stiefeln. Der trockene Moderduft war durchsetzt mit dem beißenden Geruch von Blut und menschlichen Ausdünstungen. Die umherirrenden Lichtstrahlen erfaßten die vom Gewölbe herabhängenden Fledermäuse, die mit geheimnisvollen Gegenständen vollgestopften Höhlennischen und die hell schimmernden Stalaktiten.
    Adams richtete die Lampe auf den Boden, und als er das letzte schräge Stück abwärts ging, ließ er sie weit kreisen. Aus dem Schatten drang der helle Ton eines einzelnen Wassertropfens zu ihm; Adams richtete den Strahl aufwärts und erblickte im Schein der Lampe die beiden Körper: flach in den Sand gestreckt der eine, und darüber wie ein schlaffer Sack der andere.
    Der Schock dieses Anblicks ließ Adams entsetzt zurückfahren und laut aufstöhnen, dann trat er vorsichtig an die Gestalten heran. Beide lagen bewegungslos und still da. Er kniete sich nieder, um sie zu untersuchen, und bemerkte, daß der Darüberliegende ein Weißer war. Behutsam rollte er ihn auf den Rücken. Bei dem Anblick, der sich ihm bot, mußte er würgen; er wandte sich ab und erbrach sich.
    Das Gesicht war eine einzige geschwollene Masse, Augen und Nasenlöcher aufgedunsen, vor dem verzerrten Mund stand Schaum. Die eine Schulter war eine einzige eiternde Wunde, und die Haut darum herum war aufgequollen und entzündet. Der Rumpf war über und über zerkratzt, wund von Sonnenbrand und mit Staub und getrocknetem Blut überkrustet. Die Hände waren auf dem Bauch gefaltet, und die Finger krampften sich um einen Kalksteinsplitter. Von dem Aufsprung schien eine Rippe gequetscht zu sein.
    Adams ließ den Strahl der Taschenlampe über den Körper des Myalls gleiten und sah die ausgebrannte Speerwunde und daneben den Stalaktiten in seinem Rücken. Bei der Berührung des starren kalten Körpers fuhr er zusammen und zog die ausgestreckte Hand schnell wieder zurück. Dann leuchtete er nach oben und entdeckte die Felsenplatte, auf der Dillon gelegen hatte. Jetzt wurden ihm die grausamen Vorgänge mit einemmal klar: Dillon, an seinem letzten Zufluchtsort in die Enge getrieben. Der sterbende, in der Höhle herumtappende Eingeborene. Der letzte Verzweiflungssprung des weißen Mannes auf seinen Jäger. Nun waren beide tot, und all ihre Probleme waren gelöst – und noch eine Menge mehr, von denen keiner der beiden vorher etwas geahnt hatte.
    Eine ungeheure Erleichterung kam über ihn, und er fühlte sich seltsam gelöst und befriedigt. Sein Ruf blieb gewahrt. Der Bericht konnte ehrlich und diskret abgefaßt und das Begräbnis so arrangiert werden, daß Mary dieser grausige Anblick erspart blieb. Und nach einer angemessenen Zeit konnten sie an ihre eigene Zukunft denken.
    Doch dann erwachte wieder der routinierte Polizist in ihm; er beugte sich herab, um die Leichen nochmals genau zu untersuchen. Er hob den Arm des Myalls und fühlte nach dem Puls. Nichts. Die Totenstarre hatte bereits eingesetzt. Mit einem Ruck zog Adams den Stalaktiten heraus und schleuderte ihn in eine Ecke der Höhle. Warum sollte er den Bericht

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