Nacktes Land
die Welt sich beim ersten Biß in eine unbekannte Frucht über Nacht verändert hatte.
Sie war noch immer eine verheiratete Frau, aber sie war nicht mehr dieselbe Frau wie früher. Vom Gläubiger in ihrer Ehe war sie zum Schuldner geworden. Sie hatte ihre Rechte verwirkt. Sie war in sich selbst gespalten: für den einen Mann war sie wertlos, für den anderen nur soviel wert, wie er dafür zu zahlen bereit war.
Wieviel würde er zahlen? Wieweit reichte seine Zurückhaltung aus Angst vor sich selbst, und wie weit gab er sie ihretwegen auf? Wieviel machte es ihr aus, ob er zahlte oder nicht, vorausgesetzt, sie konnte trotz seiner Bemühungen, es zu verbergen, noch Liebe und Achtung in seinen Augen lesen? Und Lance? Konnte sie nur deshalb noch zärtlich an ihn denken, weil er tot war? Falls er aber lebte, konnte sie ihm dann noch mit Würde gegenübertreten? Aber auch nach der schonungslosesten Gewissensprüfung war sie sich dessen sicher. Kaum eine Ehe zerbrach, ohne daß beide Seiten schuldig waren, und der Finger des Moralapostels wies oft in die falsche Richtung.
Plötzlich hielt Adams vor ihr an. Ihr eigenes Pferd bäumte sich auf, und sie konnte es nur mit Mühe zügeln. Adams drehte sich im Sattel um und zeigte über das Grasland auf eine dünne braune Rauchsäule, die zum Himmel aufstieg.
»Was hältst du davon, Billy-Jo?«
Der dunkelhäutige Späher rief ihm zu: »Kadaitjamänner, Boss. Greifen Mann. Brennen ihm Geisterschlange in Rücken.«
Adams nickte und wendete sich an Mary.
»Es ist also soweit. Komm näher.«
Sie brachte ihr Pferd seitlich ganz dicht an das seine heran, so daß sich ihre Steigbügel fast berührten.
»Wie weit sind sie weg, Neil?«
»Etwa eine halbe Meile. Wir reiten durchs Gras hin.«
»Ich hab' schreckliche Angst, Neil.«
Seine Hand langte herüber und schloß sich um ihre. Seine Stimme war ganz sanft: »Keine Sorge. Von jetzt ab bleiben wir zusammen.«
Als sie ihre Pferde durch das hohe üppige Gras lenkten, fragte sie sich, wie er diese acht simplen Worte wohl gemeint hatte.
Mundaru, der Mann des Büffels, lag ausgestreckt im Staub. Die Kadaitjamänner hockten um ihn herum und hielten seinen zuckenden Leib fest, während ihr Anführer die Speerspitze aus seinem Rücken zog. Neben ihnen brannte ein kleines Feuer; in dessen Mitte lag ein elliptisch geformter, auf beiden Seiten abgeflachter Stein. Die um den Stein herum entstehende Glut fegten sie sorgfältig zur Seite, damit das geweihte Objekt stets sichtbar blieb.
Als die Speerspitze aus dem Körper entfernt wurde, schoß das Blut aus der Wunde. Die Kadaitjamänner preßten rasch die Wundränder zusammen, während ihr Anführer in dem kleinen Rindenkorb kramte, den Willinja ihm anvertraut hatte. Er brachte einen weißen Quarzsplitter von der Länge eines Fingers zum Vorschein; diesen stieß er tief in die Wunde und verschloß sie dann mit einer Masse aus braunem Gummiharz. Mundarus Körper zog sich bei der Operation zusammen, und er bäumte sich in Krämpfen auf; die Kadaitjamänner hielten ihn jedoch fest und drückten seinen Mund tief in den Staub, damit er nicht schreien konnte.
Schließlich richtete der Anführer sich auf und ging zum Feuer. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, fuhr er mit der Hand in die Glut und ergriff den heiligen Stein. Er war fast weißglühend, doch er hielt ihn fest. Er fühlte keinen Schmerz, und als er den Stein auf die Wunde in Mundarus Rücken legte, wurden Fleisch und Harz augenblicklich versengt, während seine eigene Hand unverletzt blieb. Danach legte er den Stein wieder zurück auf die Erde, füllte seinen Mund mit Speichel und besprühte den heiligen Gegenstand damit, um jeden Makel abzuwaschen, der von Mundarus Körper an ihm haften könnte. Nachdem er abgekühlt war, legte er ihn in den Rindenkorb zurück und erhob sich. Die anderen stellten sich neben ihn und sahen auf Mundaru herab, der zuckend zu ihren Füßen stöhnte.
Ihr Werk war beinahe vollbracht. Jetzt fehlte nur noch der zeremonielle Todesgang. Sie zerrten Mundaru auf die Füße und stützten ihn, bis er stand, dann stießen sie ihn vorwärts. Beim ersten Schritt brach er zusammen, doch sie zwangen ihn wieder hoch, drehten sein Gesicht der geweihten Stätte zu und schoben ihn mit ihren Speeren voran. Wie durch ein Wunder blieb er auf den Beinen, und eine Hand auf seine zerfleischten Rückenmuskeln gepreßt, stolperte er los. Die Kadaitjamänner folgten mit ausgestreckten Speeren; ihr Tempo war dem seinen
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